Die Wahrheit: Fußballzwerge ade
Neues aus Neuseeland: Eine Euphorie geht durchs Land, getragen von den Kickerinnen. Da kann man sich schon mal mit dem Erzrivalen Australien freuen.
N ichts schmerzt Kiwis mehr, als Australien im Sport gewinnen zu sehen. Aber seit die transtasmanischen Matildas vorigen Samstag die Französinnen im Viertelfinale der Fußball-WM versenkten, schwappt die Matildamania auch zu uns rüber. Denn wenn es um den noch viel größeren Erzfeind Frankreich geht – zur Erinnerung: 1985, Bombenanschlag auf die „Rainbow Warrior“! –, dann kann man sich durchaus verschwestern und im Glanze der großen Nachbarin sonnen.
Der Rugbyriese Aotearoa galt international stets als Fußballzwerg. Star unserer Ballsportlerinnen war zuletzt Rugbyheldin Ruby Tui. Das änderte sich kickartig mit dem entscheidenden Tor von Stürmerin Hannah Wilkinson im Eröffnungsspiel gegen Norwegen in Aucklands Eden Park – Neuseelands größtes Stadium, das traditionell als spirituelle Heimat von Rugby und Cricket gilt. Eine vermeintlich exotische Randerscheinung wie Frauenfußball musste dort stets draußen bleiben.
Das hat sich auch dank Jacinda Ardern geändert. Der Ex-Premierministerin haben wir mehr zu verdanken als eine gelungene Covidpolitik. Vor fünf Jahren verkündete sie in Eden Park die neue „Women in Sport“-Strategie. Damals verhöhnten die meisten Kommentatoren weibliche Teams noch als „curtain-raisers“, also Vorgruppen. Seit dem Auftakt der Weltmeisterschaft in Aotearoa sehen jedoch nicht nur diese Männer alt aus, sondern auch unsere Pinguine.
So wie einst Paul, der mittlerweile verstorbene Oktopus aus Oberhausen, der 2008 bei der EM und 2010 bei der WM der Männer meistens richtig tippte, sollten auch bei uns schwimmende Tiere als Wahrsager herhalten. Im Kelly-Tarlton-Aquarium in Auckland leben 23 Königspinguine und 48 kleinere Eselspinguine. Fun Fact oder Zufall: Die Könige der Antarktis wurden dort 1994 einquartiert – in dem Jahr, in dem die neuseeländischen Kickerinnen erstmals den Kate Sheppard Cup bestritten.
Auch das Maskottchen der WM ist ein Pinguin. Er heißt Tazuni und wackelt fröhlich als Riesenpuppe übers Spielfeld. Seine lebenden Verwandten durften also tippen. Aber bis aufs Eröffnungsspiel der Football Ferns lagen sie jedes Mal daneben. Da half es auch nicht, dass ihr Gehege mit Fußballpostern dekoriert worden war. Vielleicht lag’s daran? Denn zu viel Dekor ging auch weiter südlich nach hinten los.
Das Städtchen Hamilton bekam eine halbe Million Dollar, um Mädchen und Frauen im Fußball zu fördern. 170.000 davon verprasste es für eine gigantische Ballskulptur in den World-Cup-Farben, die jetzt das Stadtzentrum ziert. Der örtliche Fußballverband, der für junge Spielerinnen mehr tun kann als jedes Kitschmonument, bekam jedoch weniger als ein Drittel davon – 50.000 Dollar. Darüber tröstet uns die neueste Nachricht aus Christchurch hinweg: Dank des WM-Hypes der letzten Wochen ist dort das Interesse am Schulsport Fußball bei Mädchen rasant gestiegen. Tor!
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