Die Wahrheit: Ski Heil, Kiwi!

Neues aus Neuseeland: Im winterlichen Aoeterea gehen die Uhren so kurz vor den Parlamentswahlen anders und beim Pistensport sowieso.

Obwohl diese Woche Wahlen sind und uns eine konservative Schreckensherrschaft droht, reden Kiwis lieber übers Wetter, über Wellen oder Schnee statt Politik. Ich auch. Denn es hat hier noch mal kräftig geschneit. Also brach ich zu einem Pistentag auf, bevor das nächstgelegene Skigebiet Mount Hutt für diese Saison schließt.

In Betrieb genommen wurde Mount Hutt 1973 vom eingewanderten Österreicher Willi Huber. Ihm zu Ehren wurde die längste Rennstrecke dort „Huber’s Run“ getauft. Das Bergrestaurant hieß „Huber’s Hut“ und servierte Huber’s Frühstücks-Burger, Huber’s geräucherten Lachssalat und andere Willi-Spezialitäten.

Der Pistenpionier wurde regelmäßig in der Presse abgefeiert. Sehr nebenbei wurde er auch mal als „Kriegsheld“ der deutschen Armee erwähnt. Der Bergfex hatte bei seiner Einwanderung nach Neuseeland in den fünfziger Jahren jedoch verschwiegen, dass er einst einer kriminellen Organisation angehörte: der Waffen-SS. Erst nach seinem Tod enthüllte ein Magazin 2021 den ganzen Hintergrund der Kriegsverbrechen, an denen Huber mutmaßlich beteiligt war. „Der Nazi, der Mount Hutt gründete“ hieß die Titelseite. Ein Riesenskandal für das Wintersportgebiet.

Dazu ein kleiner Exkurs: Anders als in Europa war Neuseelands Skikultur stets egalitär und nicht nur für Großverdiener. Bis heute gibt es die nichtkommerziellen „Club Fields“, wo alle Mitglieder freiwillige Arbeitswochenenden einschieben, um die Hütte am Laufen zu halten. Es gibt weder große Gastronomie noch Touristentrubel; man schläft in Quartieren mit Stockbetten. Auf dem Parkplatz werden mittags mitgebrachte Würste gegrillt.

Abenteuerliches Transportdrahtseil

Manche dieser rustikalen Enklaven erreicht man nur zu Fuß und muss mit Skiern, Schlafsack und Proviant im Rucksack hinwandern. Andere haben keine Sessellifte, sondern ein abenteuerliches Drahtseil, das einen per Karabinerhaken am Bauch den Berg hochzieht. Dem berüchtigten „rope tow“ sind böse Liftunfälle zu verdanken. Ich wollte es unkomplizierter haben und entschied mich bei meinem Ausflug daher lieber für Komfort und Kommerz: also Mount Hutt.

Dort war endlich die Geschichte umgeschrieben worden. Der Name Huber ist jetzt von allen Schildern verschwunden, und das Restaurant hat einen neuen Maori-Namen. Dennoch lief dort nicht alles so glatt, wie erwartet. Am Tag zuvor waren die Uhren auf Sommerzeit umgestellt worden. In Mount Hutt jedoch in die falsche Richtung, was man prima vom Lift aus sehen konnte. Störte jedoch niemanden.

Vor mir in der Schlange stand auf einem Anorak groß „The South Butt“ – von Schrift und Stil her ähnlich dem Logo von „The North Face“, nur woanders verortet: der südliche Po (also „butt“) als schönste Verarschung elitärer Outdoor-Marken. Der Jackenbesitzer sagte mir, die Persiflage stamme von einem amerikanischen Studenten, den North Face damals verklagt hatte. Sein Teil hat ihm jedoch seine Frau genäht. Kiwi, Ski Heil!

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.