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Die WahrheitAngeschossen beim Golf

Verschwundene Golfbälle wiederzufinden, ist ein lukratives Geschäft. Mit manchen historischen Bällen lassen sich zehntausende Euro verdienen.

I n Irland geschehen mitunter seltsame Dinge. Allerdings kommt es auch auf der Grünen Insel nicht oft vor, dass ein Golfballsammler im Taucheranzug von einem Jäger angeschossen wird. Der hatte geglaubt, im Unterholz treibe sich bei Anbruch der Dunkelheit ein wildes Tier herum, und zur Sicherheit hat er mit dem Gewehr draufgehalten.

Zwei grundverschiedene Gruppen waren an jenem Abend vor zwei Wochen im Corrstown Golf Club in Kilsallaghan bei Dublin unterwegs: Jäger und Sammler. Letztere suchten im See auf dem Clubgelände nach Golfbällen – eine lukrative Beschäftigung, von der eine ganze Reihe Unternehmen weltweit leben. Jedes Jahr gehen Hunderte Millionen Golfbälle verloren. Viele werden von Profisuchern gefunden, gereinigt, klassifiziert und je nach Marke und Zustand für 25 Cent bis 2 Euro pro Stück verkauft.

Aber die Golfbälle, die nicht gefunden werden, sind Plastikmüll. Da Golfplätze gern in Meeresnähe angelegt werden, weil man den Spielern wegen der Aussicht mehr Geld abknöpfen kann, landen Unmengen Bälle im Meer. In den USA hat man allein am Pebble-Beach-Golfplatz bei einer Suchaktion von Umweltschützern mehr als 50.000 Golfbälle aus dem Meer gefischt.

Mancher Golfball ist jedoch ein Vermögen wert. Vor einigen Jahren sind Taucher in den Lough Salt in der nordwestirischen Grafschaft Donegal gesprungen, um die seltensten Golfbälle der Welt zu suchen. Sie gehörten der Golflegende Old Tom Morris, der die British Open im 19. Jahrhundert viermal gewonnen hat. Kein Wunder, stammte er doch aus dem schottischen St. Andrews, wo Golf erfunden worden ist.

Ein Lord Leitrim holte ihn 1891 nach Irland, um den Rosapenna-Golfplatz zu entwerfen. Zur Entspannung kletterte Morris eines Abends auf einen Hügel und versenkte von dort rund 20 Bälle im Lough Salt, der so tief sein soll wie der Loughsalt Mountain hoch ist, nämlich 469 Meter. Weil Morris so berühmt war, gab es Nachahmer. Fortan schoss fast jeder Golfer nach einer Runde in Rosapenna ein paar Bälle vom Hügel in den See.

Deshalb liegen inzwischen Tausende Bälle auf dem Grund. Einige aus dem frühen 20. Jahrhundert hat man geborgen, aber Morris’ Guttaperchabälle aus dem eingetrockneten Milchsaft des Guttaperchabaums, die um 1840 erfunden wurden, ruhen noch im See. Jeder von ihnen ist 20.000 Euro wert.

Heutzutage gibt es eine App, die Golfbälle angeblich überall findet – im Gestrüpp, in der Wüste, in Baumwipfeln, unter Blättern. Man muss das Smartphone in die Richtung halten, in der man den Ball vermutet, und wenn es vibriert, ist man dem Ziel nah. Bei einem Turnier sind aber nur fünf Minuten für die Suche erlaubt. Unter Wasser im Lough Salt würde das Phone wohl kaum vibrieren. Morris hat damals übrigens Glück gehabt, dass er nicht erschossen worden ist. In Donegal sind schließlich schon die Kinder bewaffnet.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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