Die Wahrheit: Lost in Identification
Eine Reise ist geplant und beginnt und plötzlich bricht das ganze moderne Kommunikationssystem zusammen. Inklusive aller Bankzugänge.
E s fing schon vor der eigentlichen Reise an. Mein Laptop erkannte meinen Fingerabdruck nicht mehr. Händewaschen half nichts. Nach zu vielen Fehlversuchen rutschte ich ab in die Ebene: „Eine andere Methode versuchen.“
Fragen, die nur ich kannte, wurden gestellt. Alles lief gut, bis zum zweiten Namen meines ältesten Cousins. Ich wusste nicht mehr mit Sicherheit, welcher der ältere war. Den noch lebenden von beiden anzurufen, verwarf ich aus Scham.
Also ging der alte Mini-Laptop mit auf die Reise, und ich lebte wieder auf. Dass fast alle Apps von Banken, Versicherungen und Buchungsportalen nur in Kombination mit dem Handy funktionierten, war zunächst nur Grund zur Erheiterung.
Das Lachen verging mir, als mir meine Bank-App eröffnete, dass man mich leider nicht identifizieren könne. Mein Handy werde möglicherweise von jemand anderem benutzt. Man werde mir einen Code zur Freischaltung meines Online-Accounts per Post zuschicken.
Eine Freundin gab mir den 18-stelligen Code telefonisch durch. Dann aber weigerte sich selbige Bank, Geld ins Ausland zu überweisen, was ich wohl bei Kontoeinrichtung nicht erlaubt hatte. Die Bank-App auf dem Handy bat mich, Kontakt zum Kundendienst aufzunehmen. Scheinbar nebenbei musste ich noch einmal bestätigen, dass meine Handynummer nach wie vor dieselbe sei. Mein eingetipptes „Ja“ löste meine Identität erneut in Flimmern auf. Grund: Handy im Ausland.
Versuche, mich über Google zu identifizieren, führten auch dort zu Zweifeln an meinem Ich. Ich löste Captcha nach Captcha, beteuerte endlos, kein Roboter zu sein. Bis ich mich fragte, ob das überhaupt stimmte.
Der mir verbleibende Kommunikationskanal zur Bank war eine Fax-Adresse der Zentrale in Frankfurt am Main. Dorthin jagte ich also das teuerste Fax meines Lebens. Die postalische Antwort landete nach Tagen in meinem fernen metallenen deutschen Postbriefkasten.
Man erklärte mir darin, dass auf mein Fax inhaltlich nicht eingegangen werden könne, weil man nicht sicher wisse, ob es von mir stamme. Wenn ich mich jedoch via Bank-App identifizieren würde, wäre das Callcenter 24 Stunden am Tag für mich da. Sehr lustig!
Wer oder was war ich, für mich und für andere? Ein philosophisch hochinteressantes Thema – an sich … Aber mit einer toten Bank-App war ich einfach nur in Gefahr.
Einige schlaflose Nächte später sprach unversehens eine Bankmitarbeiterin aus dem deutschen Äther über mein zweifelhaftes Handy zu mir. Sie durfte mir ihren Namen nicht verraten, denn wie konnte sie schließlich mit Sicherheit wissen, ob ich wirklich der war, der ich ihr gegenüber vorgab zu sein?
Sie erfragte im Anschluss schlicht meinen Namen, mein Geburtsdatum, meinen Geburtsort und meine deutsche Meldeadresse. Ich machte diesmal keinen Fehler. Ich war wieder ich. Das war’s! Danke, du namenloser Callcenter-Engel.
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