Die Wahrheit: Nervensägen auf Konfrontationskurs

Exklusiv: Es gärt nicht nur im Ampel-Kabinett, auch zu Hause gibt es für Regierungsmitglieder mächtig Ärger.

Bunter Cartoon: Aus einem Haus, schaut eine Hexe, vor einem anderen steht Kanzler Scholz. Ein DHL-Bote mit Paket nennt Scholz "Verwünschungsnachbar".

Illustration: Rattelschneck

Durch Annalena Baerbock geht ein Ruck, ein Seufzer der Entspannung jagt den nächsten. Hörbar bis ins letzte Nachbarschaftsglied kommt die grüne Außenministerin des Nachts erst mal runter. Auf ihrem Doppel-Mini-Trampolin aus unbeschwerten Leistungssporttagen vollführt die Vielbeschäftigte mit doppeltem Anlauf und dreifacher Sprungkraft die verschraubtesten Figuren, die man sich unter der brandenburgischen Sonne nur vorstellen kann.Und das nachts um 3.30 Uhr!

In der Akte „Potsdamer Nachbarn gegen Baerbock“ (Aktenzeichen P/Bae 34a7) liest sich das so: „Die Beschwerdeführer, die allesamt neben, vor sowie hinter dem Anwesen von Frau Annalena Baerbock und ihrem Mann Daniel Holefleisch leben, fühlen sich seit dem Amtsantritt von Frau Baerbock im Dezember 2021 um ihre wohlverdiente Nachtruhe gebracht. Nur wenn die Ministerin auf einer Auslandsreise weilt, haben die Beschwerdeführer Ruhe. Ansonsten hüpft Frau Baerbock täglich, jedoch mitten in der Nacht, auf ihrem sehr hässlich anzusehenden Trampolin auf und ab, hoch und nieder, mit sich minütlich, wie Messungen in der Nachbarschaft ergeben haben, heraufschraubender Drehzahl. Das geschieht, nachdem Frau Baerbock stets gegen 3.15 Uhr einer wohl dienstlich genutzten E-Limousine entsteigt und dann geschlagene 60 Minuten Krach auf ihrem Trampolin macht. Dies hat in Zukunft zu unterbleiben.“

Annalena Baerbocks privater Anwalt hat sich jetzt erstmals und exklusiv auf der Wahrheit zu der lautstarken Angelegenheit geäußert. Unverbrüchlich fest in diesem Nachbarschaftsclinch steht bislang jedenfalls nur, dass Baerbock in ihrer Kindheit und Jugend dreimal Bronze im Doppel-Mini-Tramp gewonnen hat – und das für den TSV Pattensen nahe Hannover.

Zu ihrer Verteidigung werden ihr jene Fakten aber wohl „nichts nutzen“, wie der bekannte „Nachbarschaftsanwalt“ Klaas Oldenburg aus Oldenburg in Oldenburg ausführt. „Auch ihre Prominenz qua politischen Amts oder ihr starker Wiedererkennungsbonus tun hier rein gar nichts zur Sache“, so der Konfliktexperte. „Dass Frau Baerbock dreimal nur Dritte beim Trampolinspringen damals war, macht die Sache nicht besser. Die nachbarschaftliche Chose ist verfahren und heikel.“

Annalena Baerbocks kleiner Krieg

Für den Ausgang der Fehde zugunsten Annalena Baerbock veranschlagt Oldenburg „noch mindestens“ 25 Doppelstundenberatungssätze. „Nachbarschaftskrisen und Kriege sind immer langwierig. Aber ich werde mir noch was zur Verteidigung unserer Außenministerin einfallen lassen. Wozu bin ich schließlich Anwalt?“

Für Oldenburg aus Oldenburg in Oldenburg ist die Trampolin-Causa Baerbock vs. Nachbarn nicht die einzige Fehde, die er im Kabinett Scholz anwaltschaftlich betreut. Auch Auto-Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP hat den früheren Türsteher in eigener, Tür-zu-Tür-Streitsache eingeschaltet. Als wenn die Bundeskabinettmitglieder nicht schon genug Streit und Querelen vor ihrer Diensttür hätten! „Doch“, so weiß der streiterfahrene Oldenburg, „wird einmal irgendwo der Fehdehandschuh rausgeholt, ist in der Folge beruflich wie privat gehäuft der Wurm drin“.

Wissing jedenfalls, verrät uns Oldenburg aus Oldenburg in Oldenburg bei einem konspirativen Treffen in seiner Lieblingsgrünkohlkneipe in Berlin, „Wissing fährt heimlich Wasserski in seinem Gartenteich, nein Gartenreich. Alles auf stinkender Schwerölbasis.“ Das aber passe den Nachbarinnen und Nachbarn daheim in der Pfalz überhaupt nicht. Nicht nur dass der Minister mit seinem Familienweingut nahe Landau an der Südlichen Weinstraße den anderen umliegenden Weingütern systematisch das Wasser abgraben würde. „Das wäre ja noch in Ordnung, wenn Herr Wissing das für seinen Rebensaft brauchen würde.“ Doch „weit gefehlt“ – Wissing braucht „das Wasser halt zum Wasserskifahren.“ Selbst vor „Grundwasserbohrungen“ scheue der studierte Jurist nicht mehr zurück.

Rechtliche Grauburgunderzone

Anwalt Oldenburg tüftelt auch im Fall Weingüternachbarn vs. Wissing noch an einer erfolgversprechenden Verteidigungslinie für den Autobahnmann. „Dass das eine rechtliche Grauburgunderzone ist, ist doch schon mal ganz klar.“ Ein Aktenzeichen gibt es zu dem pikanten Fall noch nicht.

Klar wie Kloßbrühe ist dagegen das Ungemach von Bundesbauministerin Klara Geywitz von der SPD. Auch sie ist wie Baerbock in Potsdam ansässig. Die unscheinbare Anorakträgerin wird dort vor Ort von ihren Nachbarn zugebaut, ja eingekesselt (AZ P/Gey 007T3). „Frau Geywitz trifft keine Schuld“, stellt Anwalt Oldenburg knapp fest, „die Nachbarn können sie einfach nicht leiden, heidewitzka.“

Schon vier Mal sei die Bauministerin über zwei Stunden verspätet zu einer Kabinettssitzung erschienen. Grund: Geywitz musste sich erst eigenhändig einen Weg aus ihrer Nachbarschaft freigraben. „Immer neue Gartenhäuschen und Carports entstehen in unmittelbarer Nachbarschaft und ohne die Zustimmung meiner Mandantin, die zwar nicht vom Fach ist, aber ein Recht auf eine unverbaute Privatsphäre hat!“

Nachbarschaftsanwalt Oldenburg rechnet sich im Fall Geywitz vs. Häuslebauer noch die besten Chancen auf eine erfolgreiche Verteidigung aus – neben seinem anwaltschaftlichen Eintreten für die zwar halluzinogen nutzbare, doch strikt private Pilzfarm von Kanzler Olaf Scholz. Auch diese Farm liegt im Sanssouci-Sprengel Potsdam. „Mein Mandant wohnt hier in den wenigen Stunden, in denen er nicht arbeitet“, so der 83-Jährige. „Scholz hat ein Recht auf Pilze.“ Die Aktenlage sei allerdings komplex, besonders „die Nachbarin Alwine A.“ geriere sich als „schlimme Nervensäge auf Speed“.

Den Kanzler „raushauen“

Bleibt abzuwarten, wie der gewiefte Anwalt aus Oldenburg hier den Kanzler privat „raushaut“. Oldenburg aber ist zuversichtlich: „Ich bin zuversichtlich“. Bis dato hat der Grünkohlfanatiker nur den grünen Vizekanzler, Wirtschaftsminister Robert Habeck, erfolgreich gegen dessen Nachbarn verteidigt. Die hatten dem gebürtigen Schriftsteller, der mit seiner Frau Andrea Paluch zurückgezogen am Rande vom Flensburg nicht weit von der Punktestelle des Kraftfahrt-Bundesamts lebt, lautes Deklamieren vorgeworfen. Habeck habe, „wann immer er Homeoffice mache, im Freien aus sämtlichen zusammen mit seiner Frau verfassten Romanen vorgelesen – besonders und unerträglich laut aus ‚Unter dem Gully liegt das Meer‘ “ (AZ Fl/Ha45TB).

Nachbarschaftsanwalt Oldenburg aus Oldenburg in Oldenburg hat schließlich zur Verteidigung von Habeck zu einem schlagenden Argument gegriffen: „Auch für Herrn Dr. Habeck gilt das grundgesetzliche Recht der freien Meinungsäußerung.“ Bingo – die Nachbarschaftsquerelen des Kabinetts in Potsdam, der Pfalz und in Flensburg gehen natürlich trotz Grundgesetz munter weiter.

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