Die Wahrheit: Ach & Krach
Nach der mehrjährigen Seuchenpause erstrahlt die vierte Ausgabe des Metallfestivals Steel Held High in frisch poliertem Schwerterglanz.
E s gab natürlich wieder mal Probleme an der Tür. „Ich find dich hier nirgends auf der Gästeliste … Das wird dann wohl nix, wir sind ja schon seit Wochen sold out!“ Die Dame am Einlass zeigt ihr fröhlichstes Gesicht. Dass sie einen zappeln lassen, gehört zu den Usancen beim Hotel 666, dem einzigen Verein, dem ich je beitreten würde, weil er eine ausreichende Versorgung der Braunschweiger Haushalte mit dem Lebenswichtigen garantiert – Krach.
„Na ja“, versuche ich es erneut, „ich dachte nur, euch wäre es vielleicht nicht ganz unlieb, wenn was über das Festival in der Zeitung stünde“, flötete ich. „Zeitung stünde“, wiederholt sie mit zickig verstellter Stimme. „Sag doch gleich, dass du von der Presse bist, dann musst du hier nicht so lange den Verkehr aufhalten.“
Die vierte Ausgabe des Steel Held High erstrahlt nach der mehrjährigen Seuchenpause in frisch poliertem Schwerterglanz. Die Trve Trve Trve Metaller des Regierungsbezirks geben sich hier ein Stelldichein. Alle! Gut, Marc ist beruflich verhindert, Till war abends zuvor schon „ganz vorne dabaaa“, wie er zerknirscht einräumt, er muss heute Minnedienste leisten – und, ach, der arme Mattu liegt im Sterben … Sonst sind alle da, ich habe durchgezählt.
Ich komme gerade richtig zu Iron Fate. „Goslar˙s finest“, wie mir mein stabiler Nebenmann mit hocherhobenem Zeigefinger zu verstehen gibt. Und für den Fall, dass ich irgendwelche Widerworte habe, hebt er auch noch den anderen. „Von dicken Sachbearbeitern empfohlen!“
Er muss sich gar nicht so ins Zeug legen. Man kennt und feiert die Truppe. Zu recht. Wenn Goldkehlchen Denis Brosowski die eunuchalen Register höher und höher schraubt, und wir schon in Gedanken auf dem Notenpapier zwei weitere Linien ziehen, damit auch alle Töne draufpassen, dann erzeugt das durchaus Spannung. Platzt er? Nein! Er jubiliert mit einer solchen Entspanntheit, die bei Geoff Tate oder Rob Halford für krause Stirne sorgt, weil sie Angst um ihren Job haben müssen.
Danach kommen die vier Teenage-Mutant-Ninja-Frenchies von Animalize. Sie haben sich schon beim Soundcheck in unsere Herzen gespielt. „Chainsaw … Chainsaw & Boomstick!“ Beim dritten Mal können wir schon mitsingen. Diese vier Kinder aus Lyon haben gerade ihre Instrumente fertig gelernt und agieren jetzt eine gute Stunde lang an den Grenzen ihrer motorischen Fähigkeiten und weit darüber hinaus. Das klabautert, wie es nur einmal im Leben klabautert – wenn einem Mutti gerade die Gitarre gekauft hat und man überlegt, was das eigentlich soll. Wir nehmen diese Poltergeister von nun an in unsere Gebete auf.
Backslash sind da längst. Enthusiasmiert von ihrem 2017er Auftritt haben sie die Hymne zum Festival geschrieben. „Steel steel held high / Straight on we ride / From ashes we rise.“ Und das tun sie! Dafür dürfen sie jetzt jedes Jahr wiederkommen. Es sei denn, eine Seuche oder ein Weltkrieg verhindern das.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich