Die Wahrheit: Dirndl für Söder
Lebenslänglich Bayer: Der bayerische Ministerpräsident ist der Galakönig des Freistaats. Jüngst empfing er heimische Königinnen und Prinzessinnen.
D er Dirndlwahnsinn ist wieder einmal ausgebrochen in München. Trachtlerinnen aus dem ganzen Land haben sich zu einem munteren Stelldichein in der Residenz eingefunden. Es war ein angemessener Ort für die Zusammenkunft, schließlich waren es waschechte Hoheiten, die sich da getroffen haben. Die bayerische Erdbeerkönigin zum Beispiel, die fränkische Rosenkönigin oder die Schrobenhausener Spargelkönigin.
Eine Wollkönigin war da, die Apfelkönigin aus Bad Feilnbach samt ihrer sechs Prinzessinnen und natürlich die Meerrettichkönigin aus der mittelfränkischen Meerrettichmetropole Baiersdorf, die von der lokalen Presse gern mal als „scharfe Majestät“ bezeichnet wird. Alle trugen sie ein hübsch geschürztes Dirndl, den Hermelin „der bayerischen Produkthoheit“, so die offizielle Bezeichnung der Regentinnen auf dem Landesportal bayern.de.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder weiß, was sich für einen Bürgerlichen geziemt, wenn er Hoheiten gegenübertritt. Der Anzug, den er trug war so mausgrau, wie der Nebel an einem Novembertag über der Donau. Und selbstverständlich fand er die richtigen Worte an diesem bedeutenden Tag: „Normalerweise heißt es ja immer ‚God save the Queen‘, aber heute soll es heißen 'Gott beschütze die Königinnen und Prinzessinnen in Bayern!“ Vielleicht sollte jemand dem Mann mal mitteilen, dass Elisabeth die II. verstorben ist, aber ansonsten war es eine angemessene Rede, die er da gehalten hat. Deren Vorbereitung hat ihn gewiss nicht allzu lange von seinen Amtsgeschäften abgehalten.
Derer hat er durchaus viele zu erledigen. Immerhin hat er gemeinsam mit Alexander Dobrindt, seinem scharfen Landesgruppenchef, wie man ihn gern nennen möchte, eine Art Zweifrontenkrieg auszufechten. Da gilt es einerseits das Bürgergeld zu bekämpfen, indem man diejenigen, die für einen Hungerlohn schuften müssen, gegen die aufhetzt, die gar nichts haben – nicht einmal einen schlecht bezahlten Job.
Und andererseits gilt es Stimmung zu machen gegen die sogenannten Klima-Kleber. Solche Straßenblockierer können in Bayern einen Monat lang ohne Gerichtsverfahren eingesperrt werden, was all diejenigen geradezu weicheierisch mild finden müssen, welche wie Söder und Dobrindt glauben, dass diese Aktivisten eine neue RAF sind.
Da nimmt es durchaus Wunder, dass es Markus Söder nebenher noch schafft, auf all die Termine zu gehen, mit deren Bildern er seine mannigfaltigen Social-Media-Kanäle füttert. Beim Gastgebertag war er („Gastronomie gehört zu Bayern“), beim Ehrenamtstag in der „Erfolgsregion Niederbayern“, bei einem Footballspiel in München („Super Stimmung“), beim Presseball in Augsburg, der „Ball-Hauptstadt Bayerns“.
All das zeigt: Söder ist längst selbst reif für eine Erhebung in den Adelsstand. Bei all dem Gesülze, das er von sich gibt, ist er geradezu prädestiniert für den Titel der fränkischen Aspikkönigin. Dafür bringt er alles mit. Ein Dirndl braucht er halt noch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“