Die Wahrheit: Reich+berühmt, 1. und letzte Folge
Glücklich kann sich schätzen, wer keine Penunzen, keinen Ruhm hat. So lässt sich's wohlig leben, als unbescholtene, mildtätige Mitbürgerin.
D a ich weder berühmt bin, noch daran glaube, es in diesem Leben zu werden, liegt final ein Vorteil auf der Hand: Kein Mensch dieser Welt käme nach meinem Ableben auf die unanständige Idee, einen Klotzflughafen nach mir zu heißen oder gar eine Straße nach mir umzubenennen, die vorher als Heinz-Sielmann-Damm oder so ähnlich auf Google Maps erschien.
Ganz recht, ich finde es unanständig, ja eine Nötigung von Toten, Monumente, Museumsshops, Gymnasien, Grundschulen oder Torten, mehr noch, jegliche Art von Gerichten, oder gar ein Stück Asphalt, nach einer Person zu benennen. Die wird selbstverständlich allermeist vor ihrem Ableben nicht dazu befragt, ob sie als „Flughafen Berlin Brandenburg (BER) ‚Willy Brandt‘“, als „Esterházy-Torte“, „Genscherbrause“, „John-Lennon-Gymnasium“ oder „Greta-Garbo-Gasse“ verewigt werden will. Anmerkung für unsere jüngere Leserschaft: Greta Garbo ist nicht zu verwechseln mit Greta Thunberg, die schwedische Schauspielerin debütierte noch in der Stummfilmzeit.
Wer weiß denn schon, wer er oder sie ist in diesem Leben? Es lebt sich also besser nicht berühmt – ohne Autogrammkarte am Revers und freiwillig inkognito. Ich zum Beispiel muss mir nicht überlegen, welche Sonnenbrille mein Gesicht am besten verschattet, ja unkenntlich macht, wenn ich aus meiner Mietwohnung gehe, um draußen auf der Straße nicht angesprochen oder – schlimmer noch – nicht angeraunt oder gar nicht erkannt zu werden.
Ziemlich großes Loch im Strumpf
Die Leute gucken bei mir oft auch einfach so, ich frage mich zwar hin und wieder warum; letztens trug ich ein ziemlich großes Loch im Strumpf, da war die Sache klar. Meine Sonnenbrille hatte ich an jenem Tag, kurz bevor ich das Haus verließ, unwiderbringlich verlegt, die Sonne blendete mich draußen auf dem Trottoir, und, wie erwartet, fragte mich auch kein Mensch nach einem Autogramm. Dafür zeigte ein Mann bei seinen Google Maps von Berlin-Kreuzberg verzweifelt auf die „Audre-Lorde-Straße“ – „wo“ die denn sei?
Unbezahlt Gutes tun, getreu meinem allzeit selbstlosen Motto, konnte ich dem Herrn aus eigener Erfahrung weiterhelfen. Google Maps ist nämlich schneller als die Kreuzberger Bezirksverwaltung, die den nördlichen Teil der dortigen Manteuffelstraße nicht mehr nach dem, dieses Jahr 140 Jahre todseienden, politischen Erzreaktionär Otto Theodor von Manteuffel heißen will, sondern eben nach Audre Lorde, einer feministischen, schwarzen und lesbischen Professorin aus den USA, die bis 1992 in Berlin lebte.
Nachdem ich den Herrn also von seinen Rätselqualen erlöst hatte und er selig, ohne ein Autogramm von mir, dem Manteuffel-Straßenschild, Zitat „bis zur Nummer 101“ folgte, beschlich mich urplötzlich die Frage, ob ich in diesem Leben, so ich nicht schon und sicherlich nicht mehr berühmt, wenigstens noch mal richtig reich sein werde. Uff. Unschlagbar komische, ja aussichtslose Frage. Nächstes Kolumnenthema.
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