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Die WahrheitBe my Babybel!

Der kleine runde französische Käse ist von einer herrlich roten Schale umgeben. Nicht nur der Inhalt ist köstlich, auch eben jene weiche Wachshülle.

N ormalisieren“ ist das Trendwort der Stunde. „Normalize XY“ (auf gut Amerikanisch mit z) wird alle naslang auf Twitter, Tiktok & Co. gefordert. Ohne Begründung Treffen mit Freunden absagen, im Schlafanzug an Videokonferenzen teilnehmen oder Jo-Jo-Spielen in der U-Bahn solle endlich normalisiert werden.

Dass wir uns im Zeitalter der Toleranz und Awareness befinden, ist begrüßenswert und kein Grund zur Häme. Deshalb fordere ich – auch im Namen einer anonymen Masse, die sicher größer ist, als mancher wahrhaben möchte –, endlich etwas zu normalisieren, für das man sich im Jahr 2022 immer noch scheel angucken lassen muss: Normalisiert das Herumkauen auf Baby­bel-Wachshüllen!

Zur Erklärung für arme uneingeweihte Seelen: Babybel ist ein käseähnliches Erzeugnis, das sich allerdings nur so nennen darf, wenn es aus der Bébébelle-Region in Frankreich kommt. Traditionell ist es ein kleiner runder Laib mit rotem Paraffin-Überzug. Diese wächserne Ummantelung lädt seit alters her dazu ein, sie in den Mund zu nehmen. Und wer dieser Versuchung noch nie erlegen ist, werfe den ersten Stein! Oder besser noch: einen Laib Babybel, denn ich könnt’ schon wieder …

Das Kau-Erlebnis ist zu gleichen Teilen Befriedigung und Traumabewältigung. Ganz recht! Fast alle von uns mussten es sich doch als Kind gefallen lassen, beim Kieferorthopäden das Maul bis zum Anschlag mit warmer Wachsmasse gestopft zu kriegen, damit daraus ein Ge­biss­abguss gewonnen werde, anhand dessen weitere zahnheilkundliche Martern ausgeheckt werden konnten. Würgereiz und Erstickungsangst waren dabei unvermeidbar. Indem wir als Erwachsene auf Wachsklümpchen in mundhöhlenschmeichelnder Größe herumschmatzen, verarbeiten wir diese Nahtoderfahrungen. Und dafür soll ich mich schämen?

Kaugummi ist auch nur Plastik

„Ist das nicht was für Kinder in der oralen Phase?“, fragten mich meine Arbeitskollegen mehr als einmal bei verschiedenen „Interventionen“. Und insistierten, dass ich ein „ernstes Problem“ habe, denn das Horten von Hunderten Babybels im gesamten Firmengelände sei „unzumutbar“, seit die „Schädlingsplage außer Kontrolle“ geraten sei. Ja, ja. Das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen, der Prozess am Landesarbeitsgericht ist für Mitte Oktober angesetzt – beste Baby­bel-Saison übrigens!.

Ist Wachskauen wirklich befremdlicher als Kaugummikauen? Letzteres steht für Freiheit, Coolness und den American Way of Life, aber wir „Verehrer der roten Fee“, wie wir uns in abseitigen Foren nennen, werden geschnitten und diskriminiert. Dabei ist mein kleines Laster doch nur verstörend, weil ich dabei zweideutige Stöhngeräusche mache und irre mit den Augen rolle. Wir sind nicht alle so!

Noch einmal an dieser Stelle der Appell: „Normalize chewing on Babybel encasings!“ Und werft die Wachshüllen bitte nicht in den Hausmüll. Sondern in diese Kiste, auf die ich meinen Namen geschrieben habe.

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Torsten Gaitzsch lebt in Frankfurt am Main. Er war von 2011 bis 2022 und ist seit 2024 wieder Redakteur beim Satiremagazin Titanic. Nebenbei betreibt er eines der letzten Blogs Deutschlands und schreibt gelegentlich Bücher.
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1 Kommentar

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  • Seit zig Jahren keinen Babybel mehr gekauft



    Und als ich noch "Baby Schimmerlos" war,auch gern salami und Gelderländer Bauchspeck beim Aldi kaufte und reinzog,habe ich nie auf der roten Huelle gekaut.



    Auch keine Kerzen daraus hergestellt.



    Damals gab es noch keine gelben Säcke oder Tonnen.



    Wuesste gegenwärtig nicht ,wohin mit der roten Rinde,auch Teebeutel mit Metallklammern waren da problematisch,riss das Metall ab und eins kam in die Biotonne ,das Schnürchen samt Klammer in den Restmüll.



    So ein Scheissaufwand !



    Ich kaute als Schüler auf Uhu kuegelchen rum.nicht immer,und ich lebe anscheinend noch.



    Viel Freude bereitet mir nach wie vor,das Sammeln von Haarbaelgen,verfilzten Flusen aus meinem eigenen Bauchnabel.Der ist eine Art Schlund,ein "hypnotic collector".