Die Wahrheit: Wo bleibt die Müllanfuhr?
Warum der Hausmüll eigentlich noch gesondert abgeholt wird, ist in diesen Zeiten von Teuerung und Trennung auf allen Ebenen – ein Wunder.
M üll wird auch teurer. Was sich aber ganz gut gegenfinanzieren lässt: Indem wir auf 80 Liter downgraden. Das sind dann im Jahresabo 60 Tacken weniger als für die bisher von uns zugemüllte 120-Liter-Tonne. Die zuletzt meist eh nur halb voll wurde. Seitdem die Töchter nach Berlin, der albanische Flüchtling ins Nachbardorf und Minka in den Katzenhimmel gezogen sind, haben sich unsere Müllwerte deutlich verringert.
Wie oft bin ich deshalb vor den Abholterminen (vierzehntägig, mittwochs) noch mal schnell durchs Haus gerannt, um vielleicht noch was Wegwerfbares zu finden – und habe doch immer weniger gefunden, womit sich die Resttonne auffüllen ließ. Was nicht heißt, dass unser Haus müllfrei wäre. Nur die Auffassungen der verbliebenen Bewohner, was weg kann und was nicht, sind verschieden. Oder um es mal so zu sagen: Meine Frau kauft gerne auf Flohmärkten ein.
Diese verbeulten Kupferdinger zum Beispiel. Für mich nichts als olle Staubfänger. Für sie hingegen „hübsche Kasserollen, die man über den Herd hängen oder mit Pflanzen drin ins Bad stellen kann“, wie sie neulich in Paris schwärmte, wo solcher Müll an, gefühlt, jedem zweiten Flohmarktstand angeboten wird.
Zum Glück kaufte sie dieses Mal keinen, aber zu meinem Pech fragte sie plötzlich: „Wo sind eigentlich meine geblieben?“ Und meinte jene drei, während ihrer Au-pair-Zeit vor 40 Jahren in Paris erworbenen Kupferdinger. Als mir das auf Anhieb nicht einfiel, hakte sie nach: „Die hast du nicht etwa weggeworfen?“ – „Natürlich nicht“, rief ich da, war mir aber, ehrlich gesagt, nicht ganz sicher. Und bin es, noch ehrlicher, auch jetzt nicht. Bisher aufgetaucht sind sie jedenfalls nicht.
Und wenn: Die 80-Liter-Tonne wäre dafür nun zu klein. Es sei denn, wir beziehen – „Plan B“, so sie – die Tonnen der Nachbarn in unser Entsorgungskonzept mit ein. Neulich war es so weit, dass ich im Schutz der Dunkelheit fast noch mal raus gemusst hätte, weil jemand in unserem Haushalt partout nicht einsehen wollte, dass das Fuder Heckenschnitt, der ausgediente Hackenporsche und die stapelweise alte Adelspresse nicht in den Hausmüll gehören. Ging dann aber mit ein bisschen stopfen doch noch mal ohne Plan B.
So viel zur jüngsten Gebührenerhöhung.
Aber ein bisschen Platz ist ja noch, um mich hier mal kurz darüber zu wundern, dass der Hausmüll überhaupt noch gesammelt abgeholt wird. Und man zu seiner Entsorgung nicht jedes Mal selbst los muss mit dem ganzen Unrat im Kofferraum zur nächsten Müllhalde. So wie das ja in Sachen Versorgung als völlig normal gilt in unserer automobilen Gesellschaft. Nur dass es nicht Müllhalde heißt, wohin man dafür ständig mit dem Kfz gurken muss, sondern Rewe oder Edeka. Oder Getränkemarkt, Sie wissen schon, die berühmte Getränkekiste, deren Transport die am häufigsten genannte Begründung sein dürfte für privaten Autobesitz.
Als ob das nicht genauso gut ein kommunaler Lieferdienst erledigen könnte. Oder die Müllanfuhr, wie man den dann von mir aus auch nennen kann.
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