Die Wahrheit: Höchste Verschwörung
Neues aus Neuseeland: Premierministerin Jacinda Ardern und ihr Zukünftiger wundern sich über politische Märchenerzähler.
D ie Impfpflicht ist aufgehoben, Masken sind kaum noch ein Muss und Omikron zieht munter durchs Land. Die Protestkarawane, die 23 Tage lang das Parlament in Wellington belagerte, hat sich zerstreut. Einige sind weitergezogen zur Ölraffinerie Marsden Point. Andere streiten sich um die rechte Führung, doppelt gemeint. Doch was in den Köpfen der Irrgeleiteten geisterte, treibt Blüten, die der zukünftige First Husband eigenhändig ausrupfen muss.
Werfen wir einen Blick zurück: Neben Judensternen mit Spritzen, Hakenkreuzen und Galgen für Premierministerin „Jewcinda“ gab es während des Covid-Convois in der Hauptstadt auch Verschwörungstheorien über ihren Lebensgefährten Clarke Gayford zu bestaunen. Auf Reddit, Telegram und Facebook kochte in den letzten Monaten das alte Gerücht wieder auf, Jacinda Arderns Kindsvater stünde heimlich wegen Drogenhandels vor Gericht. „Wo steckt Clarke?“, riefen und plakatierten Demonstranten, die seit Jahren eine Vertuschung der Regierung vermuten.
Wenn der DJ und TV-Moderator von „Fish of the Day“, „Moving House“ und „Extraordinary Kiwis“ nicht vor der Kamera oder dem Mikrofon sitzt, steckt er tief im heimischen Haushalt oder auf dem Spielplatz mit Tochter Neve. Eigentlich wollte er sich den Vorbereitungen für die Hochzeit widmen, doch die wurde wegen Corona verschoben. Bisher hat Jacinda Arderns Pressestelle den Rufmord an ihrem Verlobten stets ignoriert. Ende März reichte es dem Paar. Ihre einzige Waffe war Humor.
„Habt ihr jemals mich und Clarke Gayford zusammen im selben Raum gesehen?“, twitterte Gayford mit dem Hashtag #justaskingquestions. Und als Jacinda Ardern in einer Radiosendung die Frage nach dem Verbleib des Mystery-Mannes gestellt wurde, konterte sie: „Als ich heute Morgen das Haus verließ – es war ungefähr 6.55 Uhr – hat er die Wäsche gefaltet.“ Sie musste lachen. „Das ist verdächtig, denn er ist normalerweise nie um sieben Uhr wach, um die Wäsche zu falten.“ Er habe jedoch ihre Erlaubnis, Brot und Milch einkaufen zu gehen.
Selbst die Polizei meldete sich zu Wort, um das Gerichtgerücht zu stoppen. „Mr. Gayford ist nicht und war nie Subjekt einer polizeilichen Untersuchung und wurde niemals angezeigt“, ließ sie offiziell wissen. Doch was zählen Fakten, wenn der erste April anrückt? An jenem Tag sah man ein Flugzeug über Auckland fliegen, das ein Banner nach sich zog. Und darauf war wieder groß zu lesen: „Where’s Clarke?“
Es war ein Werbegag. Wer die auf dem Banner angegebene Internetadresse öffnete, landete nicht bei QAnon, sondern auf der Webseite von Stump Busters: eine örtliche Sägefirma, die Baumstämme bearbeitet. Für das Beantworten eines Quiz über Gayfords Verbleib gab es zehn Prozent Rabatt. Der Aprilscherz wiederum inspirierte unzählige Tiktok-Videos. Kiwis posten seitdem, wo sie angeblich den verschwunden Clarke entdeckt haben. Auffällig oft in einer Waschküche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers