Die Wahrheit: Schacht ins Verschlungene
Am heutigen Tag des Schachtelsatzes kann es gar nicht genug an symbolischen Einschüben geben, die in unbekannte Höhlen führen.
A llseits heißt’s, die Geister schieden sich am Phänomen des Schachtelsatzes, was durchaus zutrifft und bei Lichte betrachtet nur bedeuten kann, dass die geistreiche Leserin ihn liebt und betritt wie das heitere Spiegelkabinett, das er im Grunde ist, während der geistlose Leser ihn fürchtet wie ein tödliches Höhlenlabyrinth, wo manche Passagen nur auf dem Bauch kriechend zu bewältigen sind, während der Ausgang ungewiss bleibt, manchmal sogar aus den Augen verloren wird, wie man irgendwann auch den Eingang oft nicht wiederfindet und endlich in völliger Verwirrung erschöpft auf halber Strecke liegen bleibt, was mich, wenn diese kleine Abschweifung erlaubt ist, an meine eigenen Ängste erinnert, wie neulich auch ein Freund es tat, der mir eine Dokumentation über einen Bergsteiger und Kletterer ans Herz legte, der gewöhnlich irgendwelche scharfkantigen Grate in totaler Einsamkeit und ohne Sicherung bewältigt, was nicht ungefährlich ist, gleichwohl aus der Warte der ihn umschwirrenden Kameradrohne atemberaubende Bilder liefert, wie auch bewusster Bergsteiger ein womöglich ganz faszinierender Mensch sein mag, der sein selbstbestimmtes Abenteuerleben so lange in bewundernswerter Intensität führt, bis er es eines Tages unweigerlich aushauchen wird, vermutlich am Fuße irgendeines Gipfels und hoffentlich ohne einen Drohne, die seinen Sturz aufzunehmen in der Lage gewesen sein wird, ein Gedanke, der mir alleine schon feuchte Hände beschert, weshalb ich mir auch keinen Film über eine Seglerin anschauen würde, die ganz alleine in einem Segelboot über alle Weltmeere um den Globus navigiert, den eisigen Naturgewalten am Kap Hoorn ebenso ausgesetzt wie den tropischen Stürmen in der Straße von Malakka, immer die Möglichkeit eines Überbordgehens gewärtigend, schließlich zieht es mich auch sonst nicht in offene Gewässer, deren Grund ich nicht mehr sehen kann, weil das, was ich nicht sehen kann, von meiner Vorstellungskraft mühelos mit extremen Unerfreulichkeiten gefüllt wird, achtarmigen Ungeheuern beispielsweise, wie sie mich zwar in einer – und hier finden wir den Faden wieder, nehmen ihn auf – Höhle ganz gewiss nicht erwarten, wo es nur blinde Lurche gibt und glitschigen Lehm, dafür aber andere, oben bereits ehrfürchtig angedeutete Fährnisse dergestalt, dass der Forscher kilometertief kopfüber in einem Loch klemmt, aus dem ihn nicht einmal die geschickteste Atemtechnik befreien kann, auch kein Rettungsteam, weil plötzliche Regenfälle den Zugang versperrt haben, wie übrigens jene Stelle bei Mark Twain die Allerentsetzlichste ist, in der Tom Sawyers Widersacher „Indianer-Joe“ am Ende in der Höhle gefunden wird, verhungert gleich hinter dem versiegelten Eingang, weshalb es, kurzum, oft günstiger ist, sich gar nicht erst hineinzubegeben ins Verschlungene, jedenfalls nicht am heutigen offiziellen Tag des Schachtelsatzes.
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