Die Wahrheit: „Bitte nicht schießen!“
Krieg ist kein Ponyhof, doch Ponyhof ist Krieg: Ein aktuell nötiges Traktat gegen Maulhelden und Schreibtischtäter jeglicher Couleur.
Die Frage nach militärischer Soforthilfe dort und Wiederaufrüstung oder gar Wehrpflicht hier bedarf einer derart komplexen Antwort, dass ich es gar nicht erst versuche.
Stattdessen antworte ich lieber auf Fragen, die keiner stellt. Zum Beispiel: Woher kommt bloß dieser leichtfertige, irgendwie viril sich gebende Militarismus, der gerade allenthalben aus dem Boden poppt. Guckstu Twitter, wenn da jemand vorsichtig das Ausreiseverbot für „wehrfähige“ Männer zwischen 18 und 60 in der Ukraine hinterfragt.
Da lärmt sie dann, die ganz große milchschaumverschmierte Klappe am deutschen Frühstückstisch. „Herzlich willkommen in der realen Welt“, „Ja, das nennt sich dann wohl Krieg“, sowie der Hinweis darauf, „dass Krieg kein Spiel ist“. Dazu die Klassiker von der „Generation Wolkenkuckucksheim“, die „noch viel nachholen“ muss, und vor allem wird in verschiedensten Variationen den Pazifisten oder auch nur Zögerlichen eine ständige Wohnanschrift im Ponyhof angedichtet.
„Krieg ist kein Ponyhof“, heißt es da beispielsweise unter völliger Ausblendung der Tatsache, dass auf Ponyhöfen kleinwüchsige Pferdeähnliche von dicken Kindern erbarmungslos zu Tode geschunden werden. Vielleicht ist also Krieg kein Ponyhof, doch Ponyhof ist Krieg.
Viva la degeneración!
Einer unterschreibt seine wohlfeile Gemächtspräsentation „Mit männlichem Gruß“. Das umreißt ziemlich klar, worum es hier zu gehen scheint. Nicht um die Ukraine, sondern um uns, und dabei insbesondere um die vermuteten Lifestyle-Pussys in unserer linken Mitte. Wir seien verweichlicht und verwöhnt, steht zwischen, unter und in den Zeilen. Als wäre das nur schlecht. Ich würde ja eher sagen: Wir sind schlicht zivilisiert. Genau in die Richtung sollte es mit der ganzen Welt doch eigentlich hingehen. Viva la degeneración! Wer das anders sieht, ist im Mittelalter hängen geblieben und betreibt nichts als Victim Blaming: „Aha, Westeuropa trägt in der Bösebubenbar ’nen Minirock. Das hätte es mal nicht tun sollen“.
Es schlägt die Stunde der Maulhelden und Schreibtischtäter. Ich bin baff, wie abgeklärt wohlstandsverwahrloste Turnbeutelvergesser über Waffentechnik und deren Zerstörungspotenziale schwadronieren und den Einsatz tödlicher Gewalt verhandeln. Dabei heulen die doch normalerweise schon, wenn der Wohnzimmerthermostat bloß auf 19 Grad eingestellt ist. Wir kennen schließlich unsere Pappenheimer.
Ich bin ja selbst nicht anders. Und ich sehe mich jedenfalls nicht, wie ich mich im eiskalten Hof mit schmerzenden Knochen zwischen Bio- und Wertstofftonne verschanze und versuche, mit beschlagener Brille auf einen heranstürmenden tschetschenischen Kadyrowzy anzulegen. Mist, Gewehr falsch rum. Das dünne Ende mit dem Loch muss doch immer vorne … zu spät.
Das alles ist so meilenweit außerhalb meiner Welt, aber das war es für viele Ukrainerinnen und Ukrainer bis vor Kurzem ebenfalls. Einfach nur mal innehalten und versuchen, wenigstens im Ansatz zu erspüren, was das für die Einzelnen überhaupt bedeutet, anstatt nur öffentlich die dicken Eier rumzuschwenken.
Männchenmachen und Marschieren
Die Bundeswehr ist nun schon lange ein Hund, der weder bellt noch beißt und nur ein bisschen frisst. Dosenfutter für 50 Milliarden, Männchenmachen und Marschieren. Das ist lächerlich, tut aber niemandem weh. Mir ist das ja grundsympathisch. Abschaffung der Wehrpflicht. Waffen, die nicht schießen und deshalb auch nicht töten. Ein berufliches Sammelbecken für meist harmlose Berufsunfähige, die passenden Dienstgrade nicht zu vergessen: Schlendrian, Oberschlendrian, Hauptschlendrian. Oberstabsschluffi zur See. Brigadefaulpelz.
Selbst die einst so ängstlichen wie schießwütigen Konservativen ließen ihr Heer irgendwann nur noch vergammeln: Ein Bild wie die stoppelbärtigen römischen Legionäre, die in „Asterix auf Korsika“ irgendwann nur noch bei Wein und Würfelspiel auf die Ablösung warten. Wunderbar. Und diese gesunde Entwicklung wollen wir mit einem Schlag wieder zurückdrehen?
Nicht in den Atomblitz gucken
Wenn ich den hemdsärmeligen Maskulinistenmüll der Twitter-Militärexperten lese, überkommt mich das Gefühl, die haben keinen Schimmer, wie das zwiebelt, wird man von einer Gewehrkugel getroffen. Und jetzt, da Leute zunehmend Angst vor Atomkrieg haben, warte ich nur bang auf die einschlägigen Ratschläge der Survivalsplainer: Luft anhalten, FFP5-Maske tragen, sehr salzig essen, die Nationalhymne singen. Toptipps, wie ich sie ganz ähnlich auch während meines eigenen Zwangsdienstes bei der Bundeswehrmacht erhielt: Nicht in den Atomblitz gucken und keine freien Hautstellen exponieren, indem man ein Dreieckstuch sauber um den Hals schlang, die Gasmaske aufsetzte und am Ende noch so eine Art militärfarbenes Regencape überzog. Das alles hätte gerade mal gegen die Mücken geholfen.
Doch zum Glück haben wir ja jetzt Olaf Scholz. Ich bin mir absolut sicher, dass uns dieser auf den ersten Blick so stille und unscheinbare Mann mit allem, was er hat, beschützen wird.
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