Die Wahrheit: Brathuhnbanditen
Neues aus Neuseeland: Kentucky Fried Chicken und Covid – das gehört in Aotearoa zusammen wie Haka und Rugby, wie Gangster und Hähnchenschenkel.
C hristchurch, meine neue Heimatstadt, hat es die letzten zehn Jahre schwer gehabt. Erst das Erdbeben, dann der Moschee-Anschlag. Doch von Covid blieb das krisengebeutelte Zentrum der Südinsel bisher verschont. Während sich die Delta-Fälle im Norden vermehren, haben wir diese Woche nur fünf akute. Die Sorge steigt, seit wir einen der möglichen Ansteckungsorte kennen: Kentucky Fried Chicken.
Man muss nicht verschwörungsgläubig sein, um den mythischen Zusammenhang glasklar zu erkennen. KFC und Covid – das gehört in Aotearoa zusammen wie Haka und Rugby. Kein anderes Fast Food hat es während der Pandemie so oft in die Schlagzeilen und gar in eine US-Talkshow geschafft wie die knusprigen Brathuhnschenkel aus dem Pappeimer. Davon kann die deutsche Bratwurst nur träumen.
Auckland war seit August eine Lockdown-Festung. Die Grenze zu den umliegenden Regionen durfte man nur mit Sondergenehmigung passieren. So kam es, dass zwei junge Männer verhaftet wurden, als sie sich der abgeriegelten Metropole von Süden über eine Schotterstraße näherten. Als die Polizei sie anhielt, fand sie nicht nur 100.000 Dollar in bar im Auto. Die Gangster hatten auch Kalorienmunition im Kofferraum: Tüten und Becher voller paniertem Fraß.
Die Ausbeute zeigten Polizeifotos, und der Großeinkauf der „Kentucky Fried Bandits“ wurde prompt von Stephen Colbert in der „Late Show“ kommentiert. „Das gilt bei euch als illegal?“, spottete er Richtung Neuseeland, das in seiner Sendung generell nicht zu kurz kommt. Fassungslos machte es ihn, dass man auch Cole Slaw sah, Krautsalat. „Schlabbriger Kohl“ – wer bitte geht damit auf die Flucht?
Wenn die Seuche tatsächlich einen tieferen Sinn hat, dann hat sie zumindest bei uns Verborgenes zutage gebracht: Wie tief die Liebe der Kiwis zu ihrem Kentucky-Futter geht. Das Aroma, das Fett, der Bratgeruch – für Millionen Eingefleischte ist KFC Ritual und Sucht. Als Aotearoa sich vorigen März in seinen ersten Lockdown stürzte, kam es nicht nur zu Hamsterkäufen von Klopapier. KFC-Fans füllten vorsorglich ihre Mägen und ihre Tiefkühltruhen.
KFC hat zu Staus und Verkehrsunfällen geführt, als die Filialen nach dem Lockdown wieder aufmachten. Hungrige campierten über Nacht im Auto. Kein anderes Schnellrestaurant hat vor allem bei Maori und eingewanderten Südsee-Insulanern den gleichen Spitzenstatus. Was dazu führte, dass Politiker die Lockdown-Lockerung zu Stufe drei, die Take-Away erlaubt, so erklärten: „Wie Stufe vier mit KFC.“
Als Neuseeland mit Telethon, Hakas und anderen Showeinlagen die Impfquote in einem Ruck auf über 90 Prozent bringen wollte, kam auch wieder Kentucky Fried Chicken ins Spiel. In den Schlangen, wo eh gewartet wird, könnte man auch Impfungen anbieten. Der Konzern, unter Gesundheitsaposteln sonst verpönt, zog mit. Für jeden Gepiksten gab’s eine „Popcorn Chicken Snack Box“.
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