Die Wahrheit: Paarung nach Sesamstraßenart
Gängige Partnervermittlungen ignorieren einen wichtigen Algorithmus der Übereinstimmung – die Frage nach Graf Zahl.
I n einer Folge von Aaron Spellings Serie „Love Boat“, die ich als größtmöglichen Eskapismus zuweilen mit einer Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit anschaue, begibt sich ein „Computermann“ (so heißt auch die Episode) an Bord der „Pacific Princess“. Er hat eine große, quadratische Maschine dabei, auf deren Bildschirm grüne Buchstaben flackern, während sie unter Piepsen und Surren ausrechnet, welcher Passagier am besten zu welcher Passagierin passt. Dass das tendenziell rassistische, 1977 aus dem Hafen gelaufene „Love Boat“ Heterosexualität als einzige mögliche sexuelle Ausrichtung ansieht, versteht sich von selbst.
Natürlich kommt am Ende heraus, dass der Computer sich irrt, und die (Ab-)Gründe menschlicher Paarungen zu mannigfaltig für seine Algorithmen sind. Lustigerweise ist das Ganze aber anscheinend immer noch so spannend, dass eine aktuelle Netflix-Serie namens „The One“ das gleiche Thema beackert: Per Gentest und mithilfe noch viel genauerer Algorithmen werden auch hier Paare „gematcht“, deren angebliche „Seelenverwandtschaft“ Stoff für jede Menge Folgen und Zweifel bietet.
Ich habe noch nie verstanden, wieso es derartig komplizierte Rechnungen braucht, um den oder die passende Partner:in zu finden. Es gibt schließlich eine weitaus schlichtere und effektivere Methode: Man braucht das Gegenüber nur zu fragen, welche seine oder ihre Lieblings-Sesamstraßenfigur ist. Ich zumindest könnte nie jemanden lieben, der a) die Sesamstraße nicht kennt und demzufolge weder weiß, was „nah“ und „fern“ ist, noch was „Schwimmfüße“ sind, b) so jung ist, dass er Samson, Tiffy, Bödefeld oder Rumpel am besten findet, oder c) sich die Figuren nicht gemerkt hat, weil es „schon so lange her“ ist oder man „damals noch ein Kind“ war.
Bislang beruhten sämtliche meiner Partnerschaften allein auf der Sesamstraßenfrage. Die Beziehung zu dem Menschen, dem Professor Hastig am meisten gefiel, ging demzufolge nach einer Weile in die Binsen, meine momentane Beziehung zu einem, der großer Fan von „Graf Zahl“ ist, blüht dagegen unverdrossen. Denn ich bin selbstverständlich ebenfalls großer Fan von Graf Zahl, der eigentlich „The Count“ heißt. The Count ist die bestangezogene Sesamstraßenfigur, er hat die beste Stimme (er wurde im Original von seinem Spieler, dem Bart-Hippie Jerry Nelson gesprochen, auf Deutsch vom Hörspiel-Sprecher Alf Marholm), er kennt den Namen jeder Fledermaus und ist ein mathematisches Genie. Außerdem kann er Gewitter hervorzählen. Eines der vielen „Stop the Count!“-Memes zeigte ihn während der Abwahl Trumps zudem in einem schicken Oldtimer mit offenem Verdeck, darunter stand „It’s too late, he’s already on his way!“.
Solange Partnervermittlungen diesen wichtigen Algorithmus der Übereinstimmung ignorieren, würde ich keine in Anspruch nehmen. Sonst lande ich noch bei jemandem, der Susanne Klickerklacker nicht mag. Und das könnte nie gutgehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen