Die Wahrheit: Nie mehr Möbel wie der Pöbel
Boris Johnson und seine Verlobte sammeln derzeit Spenden für ihre Hütte. Ein wahrer Ortsbesuch im feinen London.
Die Tür von Downing Street 10 kann nur von innen geöffnet werden und hat kein Schlüsselloch auf der Außenseite. Der britische Premier wohnt dort auch gar nicht, sondern im angrenzenden Nebenhaus, der Nummer 11 – jetzt wurde kürzlich bekannt, dass dem 56-Jährigen und seiner Verlobten Carrie Symonds, 33 und Tierschützerin, die Gemäuer nicht mehr recht taugen. Sie wollen die Downing Street aufmöbeln und ganz nach ihrem Geschmack einrichten, was immer das auch nichts Ordentliches heißen mag. Finanzieren soll das, wie der seriöse Guardian und andere Medien berichten, eine Spendenaktion. Doch wer bloß sammelt für so etwas Spenden? Die Wahrheit hat sich auf die Suche gemacht.
„Champions Charity Foundation“ prangt in güldenen Lettern auf einer Marmortafel am Eingang eines viktorianischen Prachtbaus in der City of Westminster – Wohltätigkeit für Wohlhabende. Wie vereinbart treffen wir dort am verschnörkelten Tor auf eine maskierte Carrie Symonds, die ein dunkelblaues Federhütchen auf dem Kopf trägt, das ihre blonden Haare strahlen lässt. Symonds begrüßt uns höflich, ja auf typisch britische Art: „Wie sehen Sie denn aus? Angezogen wie ein Harzer und ungewaschen wie ein Labour-Wähler!“ Woher sie das Wort „Harzer“ kennt, bleibt Symonds’ Geheimnis. Wir treten trotzdem gemeinsam ein.
Politische Wohnungsrenovierung
„Wer den Staat umbauen will, muss in den eigenen vier Wänden beginnen“, erklärt die ehemalige Tory-Pressechefin resolut die politische Dimension der geplanten Wohnungsrenovierung, während wir durch das prunkvolle Headquarter der „Champions Charity Foundation“, kurz CCF, wandeln. 30.000 britische Pfund bekommt man als Premierminister jährlich für die Raumgestaltung. „Damit lässt sich ja nicht mal ein ordentlicher Hutständer kaufen, falls die Queen mal vorbeischaut“, rechnet Symonds geschwind vor. Ein echtes „Upgrading“ der Downing Street koste eben mehr als eine Dose Frühstücksfleisch der Marke Spam.
Unsere Frage, ob Ausgaben für luxuriöses Interieur in Pandemiezeiten denn gerechtfertigt seien, kehrt Johnsons Verlobte und Mutter von Wilfred Lawrie Nicholas unter den eleganten Perserteppich: „Gerade jetzt, nicht wahr, sind wir doch alle oft zu Hause und sollten uns dort umso wohler fühlen. Die paar Wochenendtrips zum eigenen Landsitz – what shall’s?“
Und schon sind wir im herrschaftlich, ja geradezu feudal eingerichteten Büro von Albert W. More, dem Leiter der CCF, angelangt. „Carrie, how wonderful!“ More bittet zum Tee aus Tassen mit dünnem Goldrand. Seit über dreißig Jahren ist er in der Vermögendenfürsorge tätig. Unzählige Spenden-Events gehen auf sein Konto – und dann auf die Konten seiner Klienten. More veranstaltet etwa Banketts für gestresste Banker oder Charity-Dinner für Sterneköche, die sich danach selbst mal ein Fabergé-Ei in der Pfanne brutzeln können.
Für Elon Musk zog der 81-Jährige sogar persönlich mit der Spendendose von Haus zu Haus und sammelte Bitcoins für dessen Haartransplantation. „Diese Menschen geben der Gesellschaft so viel zurück“, versichert More und spreizt seinen kleinen Finger beim Teegenuss. „Als Elon dann mit vollem Haar ein Cabrio ins All schoss, zeigte er dem einfachen Volk: Jeder kann hoch hinaus, selbst wenn er ganz unten anfängt – so wie der unliebsame Gewerkschafter im Kofferraum dieses Teslas.“
Nothing-But-Profit-Organisation
In ihrer Organisationsform, so More, sei die „Champions Charity Foundation“ einzigartig. „Wir sind keine Non-Profit-, sondern eine NBPO: Nothing-But-Profit-Organisation.“ Plötzlich bekommt der alte Mann im Rautenpullunder Tränen in den Augen, dann schluchzt er: „Wer sonst denkt an die Stärksten in unserer Gesellschaft? An jene, die – aus welchen Lebensumständen auch immer – wirklich ganz oben angekommen sind? Im Alltag sind die Stärksten doch immer weniger sichtbar, werden versteckt hinter getönten SUV-Scheiben, isoliert in Privatjets …“ Carrie Symonds reicht uns aus ihrer Clutch ein Taschentuch, obwohl wir gerade wirklich keines brauchen.
Welche Spendenaktion aber passt nun zu Boris und seiner Verlobten? Hier, so Charity-Champ More, sei eine besondere Form des Reichtums gefragt: der Einfallsreichtum. „Wichtig ist, einen offiziellen Zweck zu finden, der plausibel klingt. Sonst kann man die Spende nämlich später nicht steuerlich absetzen. Im vorliegenden Fall der Downing-Street-Neumöblierung werden wir etwas mit ‚aus Gründen des Kultur- und Denkmalschutzes‘ versuchen.“
Symonds auf ihrem Empire-Stuhl scharrt plötzlich mit den Füßen. „Mich ärgert dieses Versteckspiel beim Zweckziel. Dann kann man diese Spende halt nicht von der Steuer absetzen. Dafür kriegt man von Boris, wenn die Summe groß genug ist, sogar eine ganze Steuerreform!“
Plötzlich zieht sie ein Los unter ihrem dunkelblauen Federhütchen hervor. „Well, wir veranstalten einfach eine Tombola des noch in Downing Street befindlichen Theresa-May-Hausrates. Schlappe 1.200 Pfund das Los …“ Als wir dankend abwinken, werden wir von der Security dezent aufgefordert, umgehend das Haus zu verlassen.
Am verschnörkelten Ausgang angekommen, hören wir Albert W. More noch heiser rufen: „Wenn Sie schon selbst so knausern, dann drucken Sie doch am Ende Ihres Textes wenigstens einen Spendenhinweis!“
Wollen Sie Boris Johnson und Carrie Symonds bei der Neudekoration der Downing Street unterstützen? Schreiben Sie an „no-more-poebel-moebel@championscharity.uk“. Gern erhalten Sie verbindlich kostenpflichtiges Informationsmaterial.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!