Die Wahrheit: Organversagen
Man sieht sie überall: Maskenträger, denen die Nase nackt über dem Schnutenpulli hängt. Was aber tun gegen FKK-Nasen?
A ls meine Nichte einst neue Wörter lernte, selbst aber nicht viel mehr als „Mama“, „Papa“, „ja“, „nei“ und „Bagga“ sagen konnte, spielten wir mit ihr gern ein Spiel: „Na, wo ist der Fuß?“, riefen wir und Martha tat unwissend. Dann kitzelte man sie am Söckchen und sie kriegte sich kaum noch ein.
Höhepunkt war die Nase: „Wo ist die Nase?“ Martha kulleräugte zurück und man griff an ihr Ohr: „Ist das die Nase?“ – „Nei!“ Man legte ihr einen Finger auf den Mund: „Ist das die Nase?“ – „Neeeiii!!!“ Dann stupste man auf ihr Näschen: „Ist das die …“ Und Martha strampelte, gluckste und schrie: „Naane! Naane!“
Seitdem hat sich viel getan. Martha ist vier, kann sprechen und ich möchte dieses Spiel tagtäglich in der Berliner U- und S-Bahn mit Erwachsenen spielen. Vielen täte da ein kleiner physiognomischer Auffrischungskurs gut. Man vergisst ja so vieles, was man als Kind mal gelernt hat! Dass man aufschreit, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt, dass Hautfarben egal sind, dass man eine Nase besitzt.
Wie gern würde ich mich vor einem dieser Nasaldementen aufbauen und fragen: „Na, du kleiner Rhinodiot! Wo ist die Nase, du kleines Nasenbärchen? … Okeee, so klein bist du gar ni … du bist sogar ziemlich groß … Und ach, wo deine Faust ist, hast du immerhin nicht vergessen!“
Und dann wüsste ich selbst nicht mehr, wo meine Nase eigentlich ist: Ob sie da an der S-Bahn-Scheibe hängt oder kurz in mein Hirn reinschnuppert. Wer also seinen Mund-Nase-Bereich nicht zukünftig mit Mullbinden bedecken will, sollte von dieser Strategie absehen.
Es ist ja so: Wer nach zehn Monaten Coronapandemie seinen Zinken immer noch demonstrativ überm Schnutenpulli trägt, will das so. Da hilft kein Argumentieren: „Verzeihung, der Herr, aber Ihr Gesichtserker befindet sich noch im Rohbau.“ Zwecklos.
Aber wie soll man diesen Organversagern und überzeugten Nasalnudisten nun begegnen? Ich starre sie nur noch schamlos an. Man fühlt das ja, wenn man länger von der Seite angeglotzt wird. Schön ist: Man kann dabei zusehen, wie sich die andere Person von Minute zu Minute unwohler fühlt.
Kleiner Tipp: Wer nicht allein unterwegs ist, verabredet sich zum gemeinschaftlichen Starren. Am besten verteilt man sich dazu etwas und starrt so auffällig, dass Mitreisende dem Blick folgen. Jede Wette: Ein oder zwei Stationen später wird die gezinkte Virenschleuder die Flucht ergreifen.
Trotzdem reizt es natürlich, beim Aussteigen einem Nasalnackerten kurz mal mit dem Finger auf die FKK-Nase zu pieken. Man sollte allerdings wissen, wo die Beine sind, denn die sollte man danach in die Hand nehmen.
Mitunter wäre das sogar die wirksamste Strafe für alle Rüsselexhibitionisten: Ordnungskräfte dürften ihnen von Gesetz wegen einmal an die Nase packen. Ich bin sicher, das wirkt und schlägt die Geldstrafe um mindestens eine Nasenlänge.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin