Die Wahrheit: Besser segeln durch die Krise
Unerhörtes über Außenohren, biegsame Knorpel und Lauscher im Gegenwind als Zeichen der besonderen Intelligenz.
Hilfe, uns droht die Versegelohrisierung! Das behaupten jedenfalls Coronaleugner mit eng anliegenden Ohren. Uns Maskenträgern wären ihrer Meinung nach hässliche Segelohren gewiss, denn der Gummizug der Maske biegt den geschmeidigen Ohrknorpel nach vorne und das Ohr bleibt so in der Segelohrstellung stehen! Ein ähnliches Phänomen kennen wir bereits von Kindern, denen beim leichtsinnig simulierten Schielen die Augen für immer in der Schielstellung stehen bleiben. Ja, die Natur straft kleine Sünden sofort.
Doch wann sprechen wir überhaupt von Segelohren? Dazu muss nach dem Ohrenpapst Dr. Merck der Abstand des Ohrenrandes vom Kopf 2,8 Zentimeter betragen, ganz strenge Ohrologen fordern sogar, dass ein richtiger Segelohrträger seine eigenen Ohrwatschel ohne fremde Hilfsmittel sehen können muss.
Leider sind Menschen mit Segelohren immer noch dem Hohn und Spott der stromlinienförmigen Ohr-Normalos ausgesetzt. Ganz anders denkt man im fernen Indien darüber, dort gelten Segelohren als Zeichen besonderer Intelligenz. Eine sehr begründete These, denn ein Mensch mit Segelohren hört besser als ein Flachohrträger, und wer mehr hört, weiß auch mehr!
Deshalb sind Segelohren in Wirklichkeit ein Segen und keine Strafe. So etwas hören Segelohrverächter gar nicht gern, aber die Natur gibt den Segelohrbefürwortern recht. In der freien Wildbahn hat sich das abstehende Ohr längst durchgesetzt. Luchs, Uhu und die hellhörige Waldohreule setzen seit jeher auf abstehende Ohrpuschel, und auch die Großohrige Fledermaus segelt sicher durch die Nacht mit ihren ungewöhnlichen Ohrwatscheln.
Druckknöpfe in die Watscheln
Und der unerschrockene Maskenträger sollte wissen, dass er sein störrisches Segelohr jederzeit wieder auf Stromlinie bringen kann. Das zahlt die Kasse zwar nur bei Kindern, aber die zwei- bis dreitausend Ocken für eine Ohrbegradigung sollte einem der Spaß wert sein. Das kann man selbstverständlich auch billiger haben: Da wäre als Erstes die Knopf-im-Ohr-Methode, bei der ein Ohrologe Druckknöpfe in die Ohrwatscheln implantiert, mit denen diese am Kopf festgeplockt werden.
Die geniale Methode von gewieften Schönheitschirurgen, Ohrringträgern Magnete ins Schädeldach einzupflanzen, sodass die Ohren mit metallenem Ohrschmuck so eng anliegen wie bei der Kegelrobbe, ist nicht unumstritten. Richtig-Billiglösungen wie Sekundenkleber und die Nähnadelmethode wollen wir aber mal überhört haben!
Doch ob Knopf-im-Ohr oder Magnetmethode, alles Kokolohres! „Freiheit für alle Ohren!“, sagt der moderne ganzheitliche Ohrenarzt, der weiß, wie wichtig regelmäßige Gymnastik für unsere strapazierten Außenohren ist. Diese hält nämlich Ohrenknorpel und Seele geschmeidig.
Kartei für Ohrenabdrucke
Den Ruf nach Freiheit wollte seinerzeit die Stasi nicht gern hören, sie legte tatsächlich eine Ohrabdruckkartei von Straftätern an, Ohrwell lässt grüßen! Verhören und Abhören, das konnte die Stasi, wie gut, dass sie verschwunden ist – wie das Teil vom Ohr, das Mike Tyson Evander Holyfield abbiss.
Früher nannte man die obligatorische Ohrengymnastik noch profan „Ohrenwackeln“, heute wird so etwas als „Seismisches Ohrenyoga“ bezeichnet. Das kam natürlich aus Indien, dem El Dorado der Segelohrfreunde, zu uns! Wahre Ohrenyoga-Freunde können sich sogar bei ihren Videokonferenzen im Homeoffice mit den Ohren unterhalten, denn das Ohren-Alphabet hat längst Einzug in die Familie der Körpersprachen gehalten. Und das Beste ist, bei so einer Konferenz mit dem Ohrknorpel können Teilnehmer die Maske aufbehalten und verstehen sich trotzdem blendend!
Kommunikation mit Ohrenwackeln, so etwas nennt man wohl stillen Humohr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung