Die Wahrheit: Fopp den Mob

Aus gegebenen Anlässen respektive Vorfällen hierzulande und anderswo: alles über das weise, neue und gute Mobanmeldegesetz.

Ein Mensch dagt zum anderen in einer Sprechblase „Der Mob meldet sich an“ Der andere sagt: „Schön“

Illustration: Kriki

Trumps Mob stürmte unlängst das Kapitol und bange fragt man sich, kann das hierzulande auch passieren? Natürlich nicht, denn erstens haben wir kein Kapitol und zweitens ist die unangemeldete Mobbildung bei uns verboten. Das verdanken wir dem unangemeldeten Sturm auf die Reichstagsstufen, der von drei entschlossenen Polizisten aufgehalten werden konnte.

Von dem Vorfall alarmiert handelten der Gesetzgeber und seine Frau, die Gesetzgeberin, und verboten die unangemeldete Mobmobilisierung. So beschlossen sie weise das Gute-Mob­anmeldegesetz. Seitdem heißt es bei uns: Ob der Mob regiert oder nicht, entscheidet das Amtsgericht! Wer sich zu einem amtlichen Mob treffen möchte, muss sich bei uns an die klassischen AHA-Regeln halten: Anmelden, herumrandalieren und abmelden.

So eine Anmeldepflicht für Mobs kennt der leichtsinnige Amerikaner leider nicht, lieber füllt er die Gänge des Kapitols mit müden und genervten Nationalgardisten, die auf dem kalten Marmorboden schlafen müssen und die sich deshalb mit steifen Gliedern kaum bewegen können, wenn der Mob kommt.

Mobbeauftragter der Region

Wie verfährt nun bei uns der Pöbel, wenn er einen mobinduzierten Aufruhr anzetteln möchte? Er wendet sich an den Mobbeauftragten seiner Region. Das ist meist eine erfahrene Amtsperson, die den pöbelnden Antragsteller erst einmal in aller Ruhe in eine Kern-Kategorie einordnet: Hier wird unterschieden in Pöbel, Gesindel und allgemeinen Abschaum, ferner in Bodensatz, Geschmeiß und Lumpenpack. In Bayern kommt die Kategorie Gschmerl und im Ruhrgebiet die der Paselacken dazu. Hochdeutsch könnte man auch Gesocks dazu sagen.

Schon Karl Marx trennte streng die Ausschreitungen des lumpenproletariatschen Mobs vom Aufstand des marxistisch korrekten Proletariats. Aufstände des Proletariats fallen nicht unter Mobgenehmigungspflicht, die des Lumpenproletariats schon. Laut Mobipedia unterscheidet die Soziologie die Menge von der Masse, der Unterschied zwischen Abschaum und Pöbel ist wissenschaftlich hoch umstritten. Der letzte klärende Kongress zur allgemeinen Abschaumdefinition scheiterte, obwohl der Abschaum des Abschaums der Wissenschaft zusammen war, quasi die Crème de la Schäme. Zu hoch waren die Bereitschaft zu pöbeln und zu niedrig die Instinkte des gelehrten Wissenschaftsmobs.

Mobster mal eben vorbeilassen

Sprachlich bedeutet Mob die aufgewiegelte Volksmenge, der gebildete Lateiner nennt das „mobile vulgus“ und tritt vorsichtshalber einen Schritt zur Seite, um die reizbare Volksmenge vorbeizulassen. Warum in den mobaffinen USA Mafiosi „Mobster“ genannt werden, ist bei Kriminologen umstritten. Ebenfalls daher stammt der Flashmob, der auch als „smart mob“ bezeichnet wird. Das bedeutet „intelligenter Menschenauflauf“ und ist deshalb ein laufender Widerspruch in sich. Der intelligente Flashmobber entfernt sich daher lieber blitzartig aus dem herkömmlichen Mob, ehe er angepöbelt werden kann. Wie sagt der Volksmund? Der Snob flieht den Mob!

Doch der gemeine Pöbel bei uns bleibt von solchen Fragen natürlich unberührt und geht heiteren Sinnes zur Mobanmeldung. Dort angekommen, versichert der Mobanmelder dreimal, nach besten Kräften zu randalieren, marodieren und zu querulieren. Anschließend bekommt er oder sie die gebührenpflichtige Moberlaubnisplakette. Diese ist gültig für einen Tag und muss bei weitergehenden Aktivitäten tageweise erneuert werden.

Natürlich wurde von der Verwaltung ein eigenes Anmeldeblatt für den Mob­aufzug vorbereitet. Das Ausfüllen des Fragebogens bereitet dem eher ungebildeten Pöbel oft Schwierigkeiten, aber keine Angst, es stehen eigens Mob­anmeldeberater bereit. Im Fragebogen muss das Thema der Versammlung präzise benannt werden. „Handfeste Selbstverwirklichung“ dürfte im Normalfall zutreffen. Plündern ist nur bei Zahlung des Plünderzuschlags erlaubt, eine eigene Plünderplakette weist den Plündermob aus.

Wann ist ein Mob ein Mob?

Lynchen ist übrigens von der Mobplakette nicht abgedeckt und ist zu unterlassen. Alle Gesetzesinitiativen vom weißem Abschaum, Selbstjustiz zu ermöglichen, scheiterten bislang. Soviel ist soweit klar, doch der Laie fragt sich, wann ist ein Mob ein Mob?

Ein amtlicher Mob muss mindestens aus drei Personen bestehen und sollte im äußeren Erscheinungsbild möglichst aufgebracht erscheinen. Dazu sollte jede Einzelperson wild gestikulieren und verbale Invektive ausstoßen. Butterweiche Bemerkungen wie „Find ich nicht so gut“ und „Das ist irgendwie unschön“ untergraben die Mobwirkung und sind zu unterlassen. Der Mobanmelder hat persönlich für einen angemessenen Pöbelfaktor zu sorgen, widrigenfalls kann der Name der verantwortlichen Person im Amtsblatt veröffentlicht werden. Das scheut der gemeine Verschwörer natürlich wie der Teufel das Weihwasser.

Wikingerhelme willkommen

Die Kleidung bei einer Mobaktion sollte angemessen sein, plündern und rumschubsen in empfindlicher Kleidung führt nur zu Verdruss. Kurze Hosen, Wikingerhelme, Trapperhüte und Fellwesten werden amtlicherseits wohlwollend gesehen. Eine allgemeine Tätowierungspflicht für Mobteilnehmer gibt es bei uns bislang nicht, aber der pflichtbewusste Pöbel sollte schon mit den gängigen Symbolen der Verschwörungstheorien geschmückt sein.

Ferner erwartet der Gesetzgeber flagrante Verstöße gegen die Maskenpflicht, die er mit saftigen Geldstrafen ahnden kann. So schließt sich der Kreis des Prinzips der nachhaltigen Selbstfinanzierung der Aktivitäten unseres Mobs. Werden bei der angemeldeten Aktivität keine abschätzigen und herabsetzenden Parolen intoniert, kann die Mobberechtigung dem Anmelder wieder entzogen werden.

Mobbeteiligte, die sich zu einer Sportveranstaltung treffen, heißen Hooligans und dürfen nur die jeweils angemeldete Veranstaltung stören. Insgesamt sollten alle Mobteilnehmer ihrer Verantwortung als verachtenswerter Abschaum gerecht werden. Schweigemärsche und wachsweiche Kuschelkundgebungen sollten für engagierte Mobbyisten tabu sein.

Und wie sollte die Ausrüstung des amtlich anerkannten Abschaums aussehen? Baseballschläger ja bei Sportfanatikern, Schirme hingegen nein, Mistgabeln und Sensen können, wirken jedoch im urbanen Raum etwas altbacken. Natürlich sollte kein anständiger Mob ohne Fahnen und Transparente losziehen, selbstredend mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Notfalls sollte ein verschwörerischer Volkslehrer die Parolen noch einmal mit authentischen Fehlern versehen.

Doch wie laut der Mob auch schreit und randaliert, egal wie martialisch der Aufruhr auftritt, der allergefürchteste unter den Mobs ist und bleibt der feuchte Wischmob!

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.