Die Wahrheit: Museum ohne Maori

Neues aus Neuseeland: Nicht nur Denkmäler werden gestürzt, jetzt wird das Wachsfigurenkabinett der Eingeborenen eingemottet.

Die Denkmäler des Kolonialismus stürzen. Doch was ist mit den Figuren, die nicht Sklaventreiber und Eroberer verkörpern, sondern ihre Opfer? Während in Christchurch nach wie vor die Marmorstatue des umstrittenen Seefahrers James Cook im Victoria Park thront – auch so ein überfälliger königlich-kolonialer Name –, werden dort im Museum demnächst Maori-Plastiken eingemottet.

Als Neuseeland in den Lockdown ging, wurde auch eine berühmte Familie für immer abgeschottet: eine Gruppe von drei lebensgroßen Maori-Figuren im Canterbury-Museum, die vorkoloniale Zeiten darstellen sollen. Der Mann kratzt mit einem Stein am Fels, die Frau im Federumhang macht Feuer, das Kind trinkt aus einer Kalabasse. Alltag in Aotearoa, bevor die Briten kamen. Schulkinder und Touristen lieben diese Museumshalle.

1993 wurde das Diorama mit einem Tourismus-Preis für den „besten Beitrag für kulturelle Verständigung“ geehrt. Manche finden das Wachsfigurenkabinett der Eingeborenen jedoch gruselig. Und einige beleidigend. Jetzt ist das Glasfenster, durch das die neolithische Familie seit 28 Jahren neben Moa-Jägern und Sammlern bestaunt wurde, verhängt. Dazu eine gedruckte Entschuldigung für diese Fehlpräsentation.

Schon lange gab es Proteste. ­Dave Brennan repräsentierte bis 2005 die Stämme Ngāi Tūāhuriri Rūnanga und Ngāi Tahu im Museumsvorstand. Er beschwerte sich darüber, dass seine Vorfahren nur als Höhlenmenschen mit Neandertaler-Zügen dargestellt wurden, ohne ihre Tätowierungen und das Kunsthandwerk, das sie mit ihren Vorfahren verbindet. „So sind sie niemand“, sagte Brennan. Es dauerte fünfzehn Jahre, bis er gehört wurde.

Kontrovers ist auch ein altes Ölgemälde in Wellington, für das das Nationalmuseum Te Papa 1,5 Millionen Dollar zahlte. Das Werk aus dem Jahr 1861 heißt View of Mt Egmont, Taranaki, New Zealand, taken from New Plymouth, with Mao­ris driving off settlers“ (Blick vom Mount Egmont … mit Mao­ris, die Siedler vertreiben). Es zeigt wilde Krieger, die friedliche Pio­nie­re bedrohen, Vieh stehlen und Häuser anzünden.

Abgesehen davon, dass der Plural von „Maori“ auch „Maori“ heißen muss, ist das Kunstwerk eine Falschdarstellung der blutigen Kolonialgeschichte – besonders in der Region Taranaki, wo britische Soldaten das Friedensdorf Parihaka stürmten, niederbrannten und Frauen vergewaltigten. Ein Maori-Ältester aus Taranaki sagte, dass das Ölbild „aufs Feuer und verbrannt“ gehöre.

Kurz vorm Abfackeln steht auch der „Time Tunnel“ der Gondelbahn in Christchurch. Besucher werden durch einen Gang geführt, in der vom Band die Geschichte der Region erklärt wird. „Total anstößig“ sei das Touri-Erlebnis, da es Kolonialisten verherrliche und Maori-Wörter falsch ausspreche, so die Kritik. Das Gruselkabinett wurde jedoch 2006 bei der Eröffnung von Stammesseite aus abgesegnet. Jetzt werden die Kommentare auf Tripadvisor zur Waffe.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.