Die Wahrheit: Kommt in unsere DDR!
Neues aus Neuseeland: Der neue Osten liegt down under. Nicht nur das dauernde Schlangestehen vorm Supermarkt liefert den Beweis …
D a Jacinda Ardern als Anti-Trump heiliggesprochen wurde und unser solidarisches Aotearoa bald als coronafreies Paradies in die Weltgeschichte eingeht, sollte man diesen Spitzenplatz soziologisch analysieren. Das lässt nach sieben Wochen Recherche im Zuhause-Knast und zwei Wochen Feldforschung nach der Lockdown-Wende nur einen Schluss zu: Neuseeland ist die neue DDR.
Da geben mir die Reichsbürger und Wirrologen sicher recht: Freiheitsberaubung überall, selbst am Arsch der Welt! Menschenrechte werden auch bei uns missachtet, nur um ein paar Omis im Altersheim zu schützen – und dann noch die Grenzen dichtmachen und uns den teuer verdienten Fernurlaub versauen. Nur linke Diktatorinnen kriegen solch ein brutales Maß an Unterdrückung hin.
Doch wie Ossis gern beteuern, war ja auch drüben nicht alles nur schlecht. Bevor aus meiner kühnen DDR-Behauptung Fake News werden, kann ich sie mit Fakten unterfüttern, die ich als notorische Lügenkorrespondentin diesmal nicht bei Youtube recherchiert, sondern vor Ort verifiziert habe – besonders intensiv beim Schlangestehen vorm Supermarkt. Damit ging’s schon mal los.
Weitere Parallelen zum verflossenen Sozialismus sind unübersehbar. Zuerst das Gute: Eingelegtes und Selbstgeschweißtes. Da bis auf Lebensmittelläden alles geschlossen hatte, begann das Volk zu improvisieren. Statt Spreewälder Gurken hat man frische Feijoas untereinander verschenkt. Es geht auch ohne Baumarkt: Vor meiner Garage wurde eine Gasflasche liebevoll zum Sauna-Ofen umgemodelt. Nachbarschaftshilfe und Schraubereien wie im alten Osten.
Das war der Anfang der pazifischen DDR. Blühende Landschaften haben wir ja eh. Weitere Gemeinsamkeiten: Da Im- und Export ausbleiben, werden jetzt „New Zealand made“-Produkte wie wild vermarktet. Eigentlich fehlt nur noch der Intershop. Was auch fehlt, ist Pressevielfalt. Denn der Bauer-Verlag aus Hamburg, der den hiesigen Zeitschriftenmarkt regierte, machte über Nacht die Tore zu und damit die wichtigsten Magazine kaputt.
Eingesperrt wie einst hinter der Mauer sind wir auch, da wir auf ewig keine Flucht- und Flugmöglichkeiten mehr haben. Mit oder ohne Checkpoint Charlie darf zu uns niemand mehr rein. Selbst Denunzianten haben wir in einem Ausmaß, das die Stasi neidisch gemacht hätte. Bereits nach einer Woche rigidem Lockdown hatten 4.200 Kiwis ihre Mitbürger bei der Polizei verpfiffen, weil sie surfen waren oder Partys feierten.
Der Tourismus ist unser größtes Geschäft. Da das jetzt brachliegt, sind wir wirtschaftlich fast so marode aufgestellt wie einst der Osten. Genau das ist die Marktlücke, in die wir vorstoßen müssen, wenn die Quarantäne-Mauer endlich fällt: Ostalgiker, reist bitte zu uns! Bis dahin arbeiten wir daran, unsere Kreuzungen mit Ampelmännchen und die Strände mit FKK aufzurüsten. Unser Akzent übertrifft bereits euer Sächsisch.
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