Die Wahrheit: Puck und Spiele
Die Eishockey-Saison beginnt und damit allerlei Irrsinn bis hin zur Gletscherschmelze. Nur die Kuh will partout nicht aufs Eis.
Jetzt geht’s lo-hos – und die deutschen Sportler dürfen sich endlich komplett fühlen, wenn die Haie und Pinguine in die Kufen kommen und die Adler und Hähne flattern, zwar nicht in Gottes freier Natur, aber immerhin auf dem Eis: die deutsche Eishockey Liga DEL – Slogan: „Die eiskalte Leidenschaft“ – startet in die 26. Saison.
Die ganze Hitparade bedrohter Arten tummelt sich „on the rocks“, Panther aus Augsburg, Tiger aus Straubing, Eis-Tiger aus Nürnberg und – ausgerechnet – Eisbären aus der Pandakapitale Berlin. Nur die Kuh will keiner aufs Eis bringen, aber die ist ja auch ein Klimakiller ersten Grades. Eishockey an sich ist ja schon wenig umweltverträglich, wenn die Kühlaggregate brummen, und der Energieverbrauch beim Powerplay ist gigantisch.
Wenn es dem Deutschen zu wohl wird, geht er aufs Eis. Dann tänzeln die eisheiligen Spieler über die gefrorenen Flächen, von ihrer Anmut her vergleichbar mit den legendären Olympiasiegern von 1964, Ljudmila Jewgenjewna Beloussowa und ihrem Partner und Ehemann Oleg Alexejewitsch Protopopow, die auch heute noch, mit über 80 Jahren, auf den Kufen stehen.
Beispiel Schwenningen: Über die Grenzen des Schwarzwalds hinaus haben die „Wild Wings“ ihre Stadt berühmt gemacht. Die Stürmer des Vereins greifen häufig über die Flügel an, und den Fans schwant zu Beginn eines jeden Spiels wenig Gutes. Häufig hat der Zug zum Tor Verspätung, meist leisten sie sich zu viele Ausrutscher, denn die Arena wird im Winter nicht gestreut, dann wieder hapert es mit der Passgenauigkeit, das heißt, die Spielerpässe sind nicht akkurat ausgefüllt. An besonders schlimmen Tagen kann man dann von „Holiday on Ice“ sprechen. Aber ganz gleich, wie sie spielen oder wo sie am Ende der Saison stehen: Sie sind das Aushängeschild der Stadt.
Freizeit im frostigen Germanien
Die eisige Sportart pflegten bereits die Römer, die auf den Weihern des frostigen Germaniens einer Freizeitbeschäftigung nachgingen, die sie „alsuseglia glacialis“ nannten. Schon im Mittelalter galt die Bauernregel „Mattheis bricht das Eis – find er keins, so macht er eins“. Aber wie sieht es heute aus? In Island verabschieden sich die Gletscher, an den Polen schmilzt das Eis. Wird es in Schwenningen bald so aussehen wie beim SV Ludwigsburg oder dem SSV Esslingen, wo in den Sportarenen nur noch Wasserball gespielt werden kann?
Werden wir in der DEL bald „Clubstrejk för Klimatet“ erleben? Da gibt es nämlich noch diese andere Bauernregel: „Taut es vor und auf Mattheis, geht kein Fuchs mehr übers Eis“. Sind damit die Lausitzer Füchse aus der Zweiten Eishockey-Bundesliga gemeint? Und wie verhält sich das mit den „Wölfen“ vom EHC Freiburg? Wird es eine Renaissance des Feldhockeys geben? Hockey auf Inlinern?
Wie wird sich diese Entwicklung auf den Menschen auswirken? Eishockey gilt als Kontaktsport, die Menschen rücken nahe zusammen. In Amerika kennt man den Spruch: „I just wanted to see a good fight and it ended up in a hockey game“ – „Ich wollte doch nur einen guten Kampf sehen, und es artete in ein Eishockeyspiel aus.“
Oft ist diese Art von Ice-Challenge der glatte Wahnsinn, hier finden Schläger und Schläger zusammen. Die Scheibe hat schon so manche Kniescheibe mitleidslos zertrümmert. Wenigstens begegnen einem dabei keine biersaufenden Hools, sondern distinguierte Eisweintrinker. Außerdem ist Eishockey innovativer als Fußball, wo der Videobeweis noch in den Kinderschuhen steckt: Hockeycracks sind längst serienmäßig mit elektronischen Fußfesseln ausgestattet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch