Die Wahrheit: Kannste knicken!
Erstmals bringen Handy-Hersteller formbare Smartphones auf den Markt. Doch ist der Trend zum Falzgerät unauffaltbar?
„Endlich ein tragbares Telefon, das auch meine Generation problemlos bedienen kann!“, freut sich Oma Elfriede. „Das kenne ich ja noch aus der Palmin-Werbung: ‚Knick-knick!‘“ Die 82-Jährige greift den Taschenrechner ihres Enkels mit zwei Händen und bricht ihn gekonnt in zwei Teile: „Huch!“
Sicher, noch sind faltbare Endgeräte wenig verbreitet, doch das, was Roger Mausmann von der Marketingabteilung bei Samsung Deutschland gerade seiner Großmutter erzählt hat, könnte in wenigen Jahren Standard werden. Vorreiter sind die Firmen Huawei mit dem Mate X und eben Samsung mit dem neuen Galaxy Fold. Weil die Displays in den letzten Jahren immer größer geworden sind, lag es nahe, sie faltbar zu machen, damit sie in eine gewöhnliche Hosentasche passen.
„Die Idee dazu kam mir tatsächlich beim Griff in meine Hosentasche, nämlich als ich das Stofftaschentuch darin einmal genauer betrachtete“, erinnert sich Harold Faltermeyer vom chinesischen Hersteller ZTE. „In das Tuch war ein Knoten gebunden, der mich daran erinnern sollte, eine neue Technik zu entwickeln. Und das hab ich dann einfach gemacht.“ In voller Größe sollen die Next-Gen-Apparate Bildschirmdiagonalen von bis zu 20 Zoll haben. „Darauf können Sie zum Beispiel unterwegs Schach spielen“, erklärt Roger Mausmann. „Noch besser funktioniert natürlich Online-Poker, Sie wissen schon, weil man da foldet.“ Nicht nur „mobile games“, sondern auch Apps für den Alltag würden erst mit der neuen Technologie ihr wahres Potenzial entfalten.
Faltbare Offline-Version
Ein Beispiel sind Routenplaner und digitale Stadtpläne. Dem österreichischen Wochenmagazin Falter verriet Xiaomi-Ingenieur Um Bie Gung: „Glattgebügelte Landkarten sind so altmodisch wie rassistische Namenswitze. Die nächste Version von Google Earth wird definitiv Falten wie in der richtigen Welt beinhalten: Biegefalten, Fließfalten, Scherfalten, sogar Verwerfungen und Tiefseegräben!“ Das deutsche Unternehmen Falk arbeitet währenddessen an einer faltbaren Offline-Version von Google Maps. Die Möglichkeiten sind nahezu endlos.
Ein Problem sehen Experten noch bei der Verschleißzeit von Knick-Displays. „Nach etwa 10.000 Faltungen werden leider Gebrauchsspuren sichtbar“, knickt Faltermeyer ein. „Da überlegt man sich zweimal, ob man jetzt unbedingt den Notruf wählen muss, nur weil man beim Wandern mit dem Fuß umgeknickt ist. Elendes axiales Flächenträgheitsmoment!“ Ein weiterer Minuspunkt ist der Preis: Satte 2.300 Euro muss man beispielsweise für das Mate X auf den Tisch legen – natürlich in kleinen, sauber gefalteten Scheinen. Drittens: Die integrierte Kamera lässt noch zu wünschen übrig, Probanden wirkten auf ihren Selfies „irgendwie geknickt“.
Vorgefaltete Fotos
Dennoch: Die Zukunft ist faltbar. Deutsche Early Adopters wollen die gegenwärtigen Trends Anfang Mai auf der Developer-Messe „Rheinland, falt’s!“ weiterspinnen. Ihnen zufolge sei nach Smartphones und Tablets die Einführung weiterer verkleinerbarer Gadgets zu erwarten. Aus Polaroid-Kameras könnten vorgefaltete Fotos herausflutschen, rollbare Flachbildfernseher ersetzten Beamer-Leinwände, und mit biegsamen Rollläden könnte man – als Alternative zur Gardinenpredigt – die eigenen Kinder zeitgemäß „zusammenfalten“. Sogar Klappspaten, Klappfahrräder, Klappstullen, Zollstöcke, Fächer oder Leuchtstäbe sind nicht mehr völlig undenkbar.
Und Apple? Im Moment hält sich der Tech-Gigant in puncto eigenen Innovationen bedeckt. Doch Spekulationen gibt es bereits: über ein 5.000 Dollar teures Klapp-iPad, Codename „iFaltspinsel“. Die für Apple-Fans drängendsten Fragen stehen derweil noch in den Sternen: Wird es auch eine goldene Deluxe-Ausführung geben, und wie schnell setzt ihr uns ein prestigeträchtigeres, noch teureres Nachfolgemodell vor, das mein aktuelles Exemplar obsolet macht?
Roger Mausmanns Großmutter benutzt indes erst mal weiterhin ihr bewährtes Seniorenhandy mit den Riesentasten. Aber zu Ostern hat sie sich ein Samsung Galaxy Fold gewünscht. Sie ist zuversichtlich, dass sie die Handhabung meistern wird: „Mit Falten kenne ich mich schließlich aus!“, freut sie sich wie ein alter Zitronenfalter.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!