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Die WahrheitFlach. Cool. Bekifft

Cornelius Oettle
Kolumne
von Cornelius Oettle

Wenn Philly Blunts dich so niederstrecken, dass du dich vor der Polizei hinlegst: eine Story von Leuten, die eigentlich zu alt für den Shit sind.

W ir waren schon volljährig, aber noch nicht lange. Irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen verabschiedeten wir uns von der Open-Air-Party und machten uns auf den Heimweg, da der Sommer seine Leistungsgrenze überschritten hatte. Gut fünfzig Minuten Fußmarsch auf einer frostigen Landstraße lagen vor mir und meinem Begleiter, doch das Lagerfeuer hatte uns samt unzähligen Flaschen Bier und ein paar herumgereichten HipHop-Zigaretten die nötige innere Wärme verpasst, die es braucht, um einen solchen Weg zurückzulegen.

Auf der Hälfte der Strecke leuchteten in der Ferne Scheinwerfer auf. Mit Glück ein Bekannter, mit Pech ein Beamter, dachte ich in der Hoffnung, eine Mitfahrgelegenheit und keine Streife zu erwischen. Allein: Es gab ja keinen Anlass zur Sorge mehr, denn mit dem Erreichen des achtzehnten Lebensjahrs hatten wir in diesem Land das Recht erworben, mitten in der Nacht und stramm wie Fahrradfahrerwaden nach Hause zu torkeln.

Als mein von Hornhautkrümmung geplagter Freund jedoch kurz nach mir gewahrte, dass es sich um einen Polizeiwagen handelte, legte er sich mit einem Mal rücklings auf den Boden. Flach wie ein Brett. Verdutzt beobachtete ich erst ihn und hernach das immer langsamer werdende und schließlich einen Meter neben uns zum Stillstand kommende Auto. Das Beifahrerfenster fuhr leise hinab. Aus dem Fenster drang eine Frauenstimme: „Geht’s Ihnen gut?“

Angesichts der Absurdität dieser Situation brachte ich kein Wort hervor. Plötzlich hörte ich jedoch einige vom Boden heraufquellen: „Ja! Alles in Ordnung!“, versicherte der junge Mann auf Grasnarbenhöhe mit der Coolness des Bekifften. „Dann liegen Se doch net am Boden rum!“, brüllte daraufhin der Fahrer des Wagens mit der Aggression des Nichtbekifften, die meinen Freund von der Horizontalen flugs in die Vertikale wechseln ließ.

Die Polizei, dein Freund und Taxi

„Heute ist hier Tag der Alkohol- und Drogenkontrolle“, erklärte wiederum die Beifahrerin und verwies auf zwei handbeschellte Schnurrbartträger auf der Rückbank. „Danke, uns geht’s gut!“, wiederholte ich und versuchte, so nüchtern zu klingen wie möglich. Was mir unerwarteterweise auch gelang. Meine der Unerfahrenheit geschuldete Anfrage, ob uns die Gesetzeshüter ein Stück mitnehmen könnten, beantworteten sie zwar empört mit „Wir sind doch kein Taxi!“. Aber sie ließen uns ziehen. Wahrscheinlich, weil sie so oder so lediglich Platz für einen von uns gehabt hätten.

„Warum hast du dich auf den Boden gelegt?“, fragte ich, nachdem wir die ersten Meter schweigend weitergeschlurft waren. „Ich hatte Gras dabei“, sagte mein Kumpel. „Und da legst du dich direkt vor der Polizei auf den Boden?“ – „Dachte, sie sehen mich dann nicht.“ Kurz bevor wir unseren Heimatort erreichten, tastete er seine Jackentaschen ab: „Ach, Mensch, das ist ja der dicke Mantel! Ich hatte doch nichts dabei!“

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Cornelius Oettle
Cornelius W. M. Oettle kam in der kältesten Novembernacht des Jahres 1991 in Stuttgart zur Welt und weiß nicht, warum. Zur Überbrückung seiner Lebenszeit schreibt er als freier Autor für alle, die sich ihn leisten können. Seine Tweets aber sind und bleiben gratis.
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