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Die WahrheitAn der Schwarzgeldküste

Zu Neujahr ist Rumänien Schlag Mitternacht Chefboss von Europa geworden. Sportlich, sportlich! Doch es könnte unübersichtlich werden …

Schwarzgeld verwahrt Rumänien in repräsentativen Töpfen – so auch im heimischen Parlament Foto: ap

Am 1. Januar hat mit Rumänien erstmals eine waschechte Kleptokratie die EU-Ratsprä­si­dentschaft übernommen. Aber schaffen die Rumänen das überhaupt? Die Veränderungen seit der standrechtlichen Erschießung der Ceaușescus sind so riesig nicht. Gut, im Jahr 2005 wurde die Landeswährung Alte Lei durch Neue Lei ersetzt, wobei vier Nullen gestrichen wurden, aber eben leider nicht im Finanzministerium.

Im Korruptionswahrnehmungsindex belegt das Land einen ehrenvollen 66. Platz, immerhin sechs Ränge vor Italien, allerdings darf man annehmen, dass es bei der Platzierung nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Die Kaufkraft indes ist erfreulich, besonders beim Ämter- und Stimmenkauf, und das nicht nur an der Schwarzgeldküste, sondern auch in der Region Crișana, die auf Deutsch so schön „Kreischgebiet“ heißt.

Schwierig wird es bei der Energieversorgung. Viele tanken eher Kraft aus Halsschlagadern, ein traditioneller transsilvanischer Brauch, der auf den Grafen Străgula zurückgeht. Bald aber wird das Land vollends ausgeblutet sein. Anämisch ist es jetzt schon. Die wenigen, die noch Kraft haben, wollen ab­hauen.

Die Küche wird dominiert von der Moldau und der Walachei. Der Einfluss der Ungarn (Grammelpogatscherl zum Beispiel aus Germteig und Grammeln, was immer das sein mag) wird nur ungern erwähnt, ebenso der Einfluss der Siebenbürger. Rumänien belegt in der Schafzucht welt­weit Rang vier. Besonders beliebt ist deshalb der Schafseckel, zu dem gern „Mămăligă“ gereicht wird, ein Maisbrei, der aber nur von Maisbietenden ersteigert werden kann.

Schnaps mit Folgen

Zu den Spezialitäten gehören „Ciorbă de burtă“, eine Kuttelsuppe mit leckeren Laktaten drin. Ähnlich wie die Griechen nehmen die Rumänen vom Wein nur die Blätter, um ihre Rouladen damit einzuwickeln: „Sărmăluțe cu foi de viță“. Heruntergespült wird alles mit einem „Vișinată“, einem Schnaps auf Sauerkirschbasis, wobei es im Magen-Darm-Trakt zu interessanten Entwicklungen kom­men kann.

Traditionell wird viel geschmiert, doch Rumänien gewinnt kein Öl. Salat bleibt darob unangemacht.

Leider muss man festhalten: Rumänien verfügt über keinerlei Ressourcen, keine Reserven und null Energie. Es ist ohne Saft und Kraft. Die Donau ist zwar ein Strom, liefert aber kaum welchen, weil das eigene Kraftwerk nichts aus eigener Kraft schafft. Stattdessen frisst es die Energie, die es produziert, gleich selber weg. Die staatliche Elektrizitätsge­sell­schaft Romina Power musste gerade Bankrott anmelden, da springt kein Funke mehr über.

Watt gibt es nur im Schwarzen Meer. Obwohl traditionell viel geschmiert wird, gewinnen die Rumänen selbst kei­n Öl. Salate kommen daher unange­macht, so sie denn überhaupt auf den Tisch kommen. Es hat aber keinen Sinn, deswegen die Bedienung anzumachen.

Keine Heizung, keine Kohle

In den Restaurants brennt traditionell nur Kerzenlicht, was aber nicht ro­mantisch ist, sondern der Not geschuldet. Die Rumänen haben eben nichts, keine Hei­zung, keine Kohle. Das war schon immer so. Darum müssen sie dauernd herumzappeln, Bewegung hält warm. Aus diesem Grund sind sie auch hervorragende Bodenturner. Sobald sie jedoch beheizte Räume betreten, ist alle Herrlichkeit dahin. Der Psychologe Nicolae Ekstase hat diesen Zustand als „rumänisch-depressiv“ beschrieben (romania depreșiu).

Europäisch vorbildlich verhalten sich rumänische Vereinigungen, die Länder wie beispielsweise Belgien von überflüssigen Kupferkabeln befreien wollen. Vorsicht aber gilt bei Reisen nach Rumänien. Die Autofahrer bedienen sich einer eher sportlichen Fahrweise, und im Dunkeln schalten sie kein Licht an. Die Verkehrsschilder sind nicht immer aus reflektierendem Material, ebenso wenig die Gehirne der Verkehrspolizisten. Manche Automobile verschwinden mir nichts, dir nichts in den Carports diverser Karpaten-Paten.

Allen Rumänienfahrern kann man deshalb nur eines und feste wünschen: Angenehme Reise ­– drum bun!

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