Die Wahrheit: Söders schäumende Säfte

Ein Enthüllungsbuch über den designierten fränkischen Ministerpräsidenten lässt nicht nur München, sondern die ganze Republik kochen.

Porträt Markus Söder

So schaugts aus: der künftige Bayernfürst Söder Foto: reuters

Still ist es hier im „Weißen Bräuhaus“, mitten in der bayerischen Landeshauptstadt, mitten „Im Tal“. Sehr still. Die Leib- und Magenwächter des Ministers für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat, starren auf ihre smarten Telefone. „Markus Söder: Ein Mann wie ein Schrank – was droht dem Freistaat wirklich?“, lesen sie in einer News des wohl toll gewordenen Bayerischen Rundfunks.

Eben noch haben sie auf Geheiß des massiv gebauten Frankens das Traditionsbierlokal unter Protest der zahlreich versammelten Trinkenden geräumt. Dann kommt „Mark Simpson“ (Codename im Sicherheitsleute-Slang), der das „Weiße Bräuhaus“ für sich und eine Leberknödelsuppe allein haben will, einfach nicht vom „Scheißhäusl“ zurück. Verschanzt er sich etwa wegen der ungeheuerlichen, ihn betreffenden Vor- und Einwürfe, die die Enthüllungsenzyklika „Söder – so schaugts aus!“ auf 347 Seiten ausbreitet?

Seit vergangenen Freitag, dem 51. Geburtstag des gebürtigen Nürnbergers, ist das Werk auf dem Politmarkt, und es schlägt dort Tsunami-Wellen. Selbstverständlich weit über die bayerische Landesgrenze bei Aschaffenburg hinaus, ja bis hoch nach Berlin. Auch eine angeschlagene Angela Merkel hat schon auf ihrem Tolino mit heruntergezogenen Mundwinkeln hineingelesen. „Söder – so schaugts aus!“ stellt das Michael-Wolff-Buch „Fire and Fury“ über die US-Pfeife Trump in jenen Schatten, den dies eilig zusammengeschusterte Werk verdient.

Mit heißem Hopfen gebraut

Nicht so der Wälzer „Söder – so schaugts aus!“: Er muss einfach ans Licht. Jetzt, da Söder unter gar keinen Umständen noch zu stoppen ist; jetzt, da das Ruder in den AfD-Sumpfgebieten Bayerns vielleicht, doch das wird sakrisch schwer, vielleicht noch herumzureißen ist. Von wem, das sei dahingestellt. Akribisch recherchiert und mit heißem Hopfen gebraut, liegt „Söder – so schaugts aus!“ mundartlich und auf Hochdeutsch vor.

„Söder – so schaugts aus!“ stellt „Fire and Fury“ in den Schatten

Innovativ auch die Idee der Autoren Heribert Prantl (SZ-Prediger) und Sandra Maischberger (Exmoderatorin beim Münchner „Live aus dem Schlachthof“), das Enthüllungswerk als Loseblattsammlung digital und in der Druckversion anzubieten. “‚Söder – so schaugts aus!‘, das ist die unendliche Geschichte per se, eine Geschichte vom Beinstellen in Bayern und im Bund, und diese Geschichte wollen wir bis zum Ende Söders fortschreiben, das zugleich das Ende Bayerns beschreibt, wie wir es kennen“, so die Autoren klipp und klar im weiß-blauen Klappentext.

Da kommt er ja! Halleluja, da kommt ja, hier im „Weißen Bräuhaus“, Markus Söder, der Mark Simpson von Franken, schweren Schrittes vom „Scheißhäusl“ zurück. Ein Mann wie ein Schrank, ganz so wie ihn Prantl und Maischberger in ihrem Enthüllungsbuch „Söder – so schaugts aus!“ schildern. Aber was ist das? Söders langer Lodenmantel ist weit geöffnet, alles lugt heraus. Seine Leib- und Magenwächter, die ob des Wartens auf den Chef bereits ein paar Helle intus haben, werden in Maßen unruhig. Der designierte Ministerpräsident von Bayern, wie wir es bis jetzt noch kennen, grinst grotesk. Was führt der glühende Anhänger von „Unser Sandmännchen“ nur im Schilde?

Poster von Strauß

„Die Szene, wo es um Strauß und mich geht, die kommt zu spät“, wütet der evangelisch Erzogene aus Nürnberg-Schweinau und fegt die kalt gewordene Leberknödelsuppe vom dunklen Holztisch. „So einen Lapsus verzeiht der Franz Josef nicht.“ Saftiger Schaum steht Markus Söder jetzt in seine fränkisch-frankensteinsche Visage geschrieben. „Erst auf Seite 293 hat es alles über den Strauß und mich! Hört euch das an, Männer! ‚Strauß, dieses Kraftuhrwerk, dieser Titan der Worte, hat mir unheimlich gut gefallen. Ich hatte sogar ein riesengroßes Poster von Strauß, fast überlebensgroß. Ich wohnte bei uns zu Hause unter einer Dachschräge und dort hing dieses Poster. Wenn ich aufgewacht bin, habe ich also an der Decke direkt Strauß angeschaut. Das hat sich in späteren Jahren als gar nicht so einfach erwiesen, wenn dann auch mal eine Freundin da war und die auch Strauß zuerst gesehen hat. Das war nicht immer ganz so einfach. Aber Strauß hat mir wirklich sehr gefallen.‘“

Im „Weißen Bräuhaus“ ist es jetzt, wie schon zuvor, still, ehrfürchtig still. Dann ein Geräusch, ein Geräusch, das immer lauter, immer unerträglicher wird. Söder schluchzt. Ein Leibwächter lupft am Lodenmantel, dann schließt er ihn.

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