Die Wahrheit: Niederlagen in Niedersachsen
Ein Bundesland dreht auf. In diesem Sommer wird rund um Hannover jede Menge politischer Unrat aufgewirbelt.
U nd schon haben wir wieder die Niedergesäßkarte in unserem hübschen Bundesland: „Niedertracht in Niedersachsen“, titelt Spiegel Online, wahrscheinlich folgt bald „Niedergang in Niedersachsen“, dann getoppt von „Niedere Instinkte in Niedersachsen“. „Niederflurbusse für Niedersachsen“ würde mir noch besser gefallen. Damit die Schwelle beim Umsteigen von Grün nach CDU nicht so hoch ist, haha.
Alles nur wegen einer Dame, die ihre bürgerliche Grundstruktur wiederentdeckt hat. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hört man, Elke Twesten sei nicht das hellste Licht auf der Torte. (So reden eben Politiker, sorry.) Wieso hat die sich eigentlich im grünen Kaffeekränzchen nicht mehr wohlgefühlt, die passte da doch volle Kanne hin? Waren die Schnittchen zu vegan, oder was?
Tatsächlich soll sie noch gesagt haben, das mit den zurückgekehrten Wölfen gefalle ihr nicht so, und die CDU habe ihr ein „unmoralisches Angebot“ gemacht. Inzwischen findet sie das Angebot aber moralisch, egal, was man ihr versprochen hat, denn das verrät sie nicht. Dabei war sie nur sauer, weil sie nicht mehr mitspielen durfte – kurz und gut, mein liebes Heimatbundesland beherbergt die beleidigte Leberwurst of the day und muss deswegen neu wählen.
Auch der Duden wird um ein Verb ergänzt werden: „Sie suchen den Ausgang aus Ihrer Karriere? Bitte twesten Sie da hinten rechts ab. Den Weg finden Sie in Ihrer bürgerlichen Grundstruktur.“
Als würde das nicht genügen, um das Landesimage zu schädigen, schwingt sich gleichzeitig auch noch die fleischgewordene und präsidentgewesene großmannssüchtige bürgerliche Grundstruktur aus Großburgwedel zum Textilien-Prokuristen auf. Was denn noch? Kann Wulff nicht ins Dschungelcamp abwandern? Maden statt Mode? Das hätte mehr Unterhaltungswert. Glaube ich jedenfalls; ich bin ja die letzte Niedersächsin, die noch nie CDU gewählt hat und noch nie diese Show gesehen hat.
Und nein, das reicht immer noch nicht, außerdem lässt sich unser Ministerpräsident noch die Regierungserklärung von VW diktieren. Gibt es schon irgendwo Autoaufkleber mit dem Text „Ich sehe nur aus wie ein Golf“? Würde ich nehmen. D heißt nicht Diesel, sondern Doofi. Ach nee, Deutschland, ach ja, Doofi.
Ich werde demnächst bestimmt hier ausgebürgert. Meine Grundstruktur hat dazu geführt, dass ich bisher in keine Partei ein- oder aus ihr wieder hinausgetreten bin, ich war auch niemals Kanzler oder Bundespräsident und meine berechtigten Nachfragen nach einem Ehrensold für Unfug-Abstinenz verliefen bisher bedauerlicherweise im Sande. Obwohl ich wochenlang übte, konnte ich niemals Gerhard Schröders kerniges Männerlachen imitieren, es klang bei mir immer bloß wie „mimimimi“.
Auch verwandele ich mich nicht nachts in Sigmar Gabriel und flattere lautlos nach Berlin, um Martin Schulz das Blut auszusaugen. Falls er welches hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt