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Die WahrheitNeue Karambolagen

Kolumne
von Knud Kohr

Der Scooterman ist wieder da! Und reitet auf seinem nagelneuen Alpine Comet mit elf Stundenkilometern Spitzengeschwindigkeit durch Berlin.

I n meinem Leben ist zuletzt nichts Nennenswertes geschehen – bis auf die Tatsache, dass ich die Südhälfte der Erde besucht habe und nach meiner Rückkehr eine Treppe heruntergefallen bin. Zehn Stufen mit dem Kopf zuerst, um präziser zu sein. Ein Krankenwagen versuchte mich, bei der nächsten Klinik abzusetzen. Aber da wollte man mich nicht. War ja auch ein ganz normaler Dienstagmorgen um ein Uhr dreißig. Wer wird da schon krank? Das vierte Krankenhaus nahm mich schließlich auf.

Was daran besonders ist? Ich bin „Scooterman“. Seit Jahren berichte ich an dieser Stelle und in Büchern davon, dass ich mich trotz meiner Multiplen Sklerose nicht von Reisen um die Welt abhalten lasse. Meine Fahrten führten mich von Berlin-Charlottenburg bis zur Südspitze Neuseelands oder von Cottbus bis Cuxhaven.

Doch erst einmal wurde ich gestoppt. Schon zehn Monate später konnte man mich wieder aus der Klinik entlassen. Nach Zwischenstationen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und ein paar Neurologien in Berlin. Allerdings nicht zurück in meine alte Wohnung. Denn die befand sich nach wie vor im ersten Stock eines Charlottenburger Altbaus. Dreiundzwanzig Stufen sind einfach zu viel geworden. Meine neue Wohnung ist allerdings auch in Charlottenburg. Vielleicht 150 Meter vom Schloss entfernt. Barrierefrei. Die alte Wohnung hat meine Exfreundin jetzt für sich allein. Ist auch besser so. Seit Oktober bin ich nämlich Rentner. 51 Jahre alt und Rentner.

Was da alles an Bürokratie auf einen zustürmt! Gerade wenn man in wilder Ehe mit einer Ausländerin zusammengelebt hat. Sind Schweizerinnen eigentlich momentan auch potenzielle Terroristinnen? Man verliert so leicht den Überblick in letzter Zeit. Und am Ende falle ich vor Anstrengung wieder die Treppe runter und bekomme Cortison gespritzt, bis ich meine eigene Telefonnummer nicht mehr weiß.

Heute Mittag fuhr ich mit meinem neuen Scooter die Wilmersdorfer Straße in Berlin herunter. Ich fahre jetzt einen Alpine Comet. Meinen letzten hatte ich neulich zum dritten Mal fahruntüchtig beschädigt. Ein netter Herr von der Krankenkasse warf einen kurzen Blick darauf und entschied, dass die alte Kiste ja nun schon drei Jahre auf dem Buckel hätte und deshalb ersetzt werden könnte.

Nun also: Fahrvergnügen mit 4.000 Watt und elf Stundenkilometern Spitzengeschwindigkeit. Kein Wunder, dass ich keine Probleme hatte, beim nächsten chinesischen Imbiss mit einer Dame ins Gespräch zu kommen, die bestimmt mal blond gewesen ist. Wir sprachen über dieses, aber durchaus auch über jenes.

„Eine Frage noch“, rief sie mir nach, als ich Strom gab. „Wie lange haben Sie Ihre Krankheit schon?“ – „Hä?“, antwortete mein Gesichtsausdruck. „Ich wollte nur wissen, wann Sie daran sterben werden. Nur interessehalber.“ – „Gleich nach Ihnen. Ich muss doch noch auf Ihr Grab spucken.“ Sagte ich natürlich nicht. Hätte ich aber gern.

Auf Wiederlesen.

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