Die Wahrheit: Zocken mit Jesus
Die Iren sind Wettmaniacs, was nicht wenige Haus und Hof gekostet und nur die Buchmacher frohgemacht hat.
I ch habe zwar einige Laster, aber obwohl ich in Irland lebe, gehört das Wetten nicht dazu. So mancher Ire hat Haus und Hof beim Buchmacher verspielt – die meisten bei Paddy Power, dem Unternehmen, das nach seiner Fusion mit Betfair neulich zu den größten der Branche zählt.
Dank der Werbekampagnen nach dem Motto „Hauptsache, es kracht“ ist Paddy Power auch unter Wettmuffeln bekannt. Einmal zeigten sie Jesus und seine Jünger zockend beim letzten Abendmahl, ein anderes Mal verwechselte ein Spieler beim Blindenfußball eine Katze mit dem Ball und beförderte sie mit einem Tritt in einen Baum.
Einen Aufschrei gab es, als auf einem Werbeplakat zwei alte Frauen mit Gehhilfen die Straße überquerten, während ein Landrover angerast kam. Über den beiden Frauen waren Wettquoten gedruckt. Paddy Power beschwichtigte, es ginge darum, wer am schnellsten die Straße überquert, und nicht, wer vom Auto überfahren werde.
Buchmacher setzen aber wenigstens ihr eigenes Geld ein. Börsenmakler hingegen spielen mit dem Geld fremder Leute. Mit meinem zum Beispiel. Wie gesagt, ich bin kein Spieler. Aber ich bin gutgläubig. Einmal hörte ich im Pub am Nebentisch, wie jemand lauthals vorhersagte, dass sich die Aktien einer Firma in Kürze versechsfachen würden. Ich eilte am nächsten Tag zu Davy, Irlands größtem Börsenmakler, und investierte trotz des Gelächters der Angestellten ein paar Hundert Euro. Schließlich verfügte ich über Insiderwissen.
Der Insider vom Nachbartisch entpuppte sich als Niete. Oder er war Angestellter bei Davy. Jedenfalls dümpelten meine Aktien ein paar Monate lang auf einem Cent pro Stück, und als ich sie verkaufen wollte, kassierte Davy die gesamte Summe für das Aufbewahren meiner Aktien – eine Art Parkgebühr.
Seitdem bekomme ich von den Börsengurus regelmäßig Post, weil ich wegen meines kurzen Ausflugs in die mondäne Börsenwelt nun zum Kundenstamm gehöre. Man möge die Aktien von Paddy Power rasch abstoßen, riet man uns einmal, weil die Buchmacherkette weit hinter den Erwartungen zurückbleibe.
In der Zeitung stand, dass Paddy Power gerade einen Rekordprofit vermeldet hatte. Dank der Warnung der Börsenmakler rutschten die Aktien aber in den Keller. Lag es daran, dass Paddy Power nicht mit Davy, sondern mit dem schärfstem Konkurrenten Goodbody zusammenarbeitet?
Zu den eigenen Kunden ist Davy loyal bis zum Ende. Im Jahr 2008, als die Aktien der irischen Banken ins Bodenlose fielen, empfahl Davy die Bank of Ireland als „sichere Investition mit geringstem Risiko“. Selbst als die Aktie nur noch 89 Cent wert war, prophezeite Davy, dass sie bald auf 1,50 Euro steigen würde. Kurz darauf stand sie bei 22 Cent, und die Bank musste mit Milliarden Steuergeldern vor dem Bankrott gerettet werden.
An den Börsenmaklern ist die Krise spurlos vorübergegangen, sie sprechen weiterhin ihre eigennützigen Empfehlungen aus. Genauso gut könnte man Joseph Blatter um Vorschläge zur Säuberung der Fifa bitten.
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