Die Wahrheit: Korrupte kleine Insel
Irlands Korruption ist nicht einzigartig, aber Wirtschaftskriminalität blüht hier besonders prächtig. Zwei repräsentative Beispiele.
I rland ist das Paradies. Jedenfalls für Unternehmer, die mit ihren Firmen bankrott gegangen sind. Sie selbst haben ja noch etwas auf der hohen Kante, und mit dem Ersparten kaufen sie der „Bad Bank“, die ihre maroden Betriebe übernommen hatte, ebendiese für einen Bruchteil wieder ab. Den Rest schießt der Steuerzahler zu. Abgewickelt werden diese Geschäfte von der Lieblings-Anwaltskanzlei der Regierung, die beide Seiten vertritt und dadurch ein Vermögen kassiert.
Irlands Korruption ist nicht einzigartig unter den sogenannten demokratischen Ländern, aber die Verfolgung von Wirtschaftskriminalität ist praktisch zum Erliegen gekommen. Selbst im Finanzsektor, der die Insel in den Abgrund getrieben hat, wird niemand zur Rechenschaft gezogen. Die Zentralbank hatte der Polizei zwischen 2009 und 2013 fast 700 Verbrechen gemeldet. Zur Anklage kam es in zwei Fällen.
Manchmal werden die Gauner sogar belohnt. Raidió Teilifís Éireann (RTÉ), Irlands öffentlich-rechtlicher Sender, hat eine Serie über ein Hotel gedreht – sechs Folgen à 30 Minuten. Dafür musste man unter Tausenden Hotels wählen. Schließlich nahm man das einzige Hotel, das einem verurteilten Wirtschaftsverbrecher gehört – das „Gleneagles“ in Killarney im Südwesten der Insel.
Patrick O’Donoghue saß früher dort im Stadtrat. Und er war im Aufsichtsrat des Fremdenverkehrsamts. Im März 2006 hatte er durchgesetzt, dass acht Hektar Land, die zu seinem Hotel gehörten, in Bauland umgewidmet wurden. Zwar lagen die Grundstücke anderthalb Kilometer von Killarney entfernt, aber dank des Beschlusses gehörten sie plötzlich zum Stadtzentrum. Zu Zeiten des Baubooms war das wie eine Lizenz zum Gelddrucken.
Weil Gemeindedirektor Tom Curran deshalb Beschwerde einreichte, nahm die Aufsicht für Richtlinien in öffentlichen Ämtern sich der Sache an. Fazit: O’Donoghue hatte sein persönliches Interesse an der Umwidmung verschwiegen und entgegen den Vorschriften an der Abstimmung teilgenommen. Man stufte das als Bagatelle ein. Aber er hätte nicht die anderen Gemeinderäte beeinflussen dürfen. Deshalb musste er 2009 vor Gericht. Seine Kollegen im Stadtrat ernannten ihn in der Zwischenzeit zum Bürgermeister. O’Donoghue bekannte sich schuldig. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro, die er aus der Portokasse zahlte.
Auf die Frage, warum sie ein so mildes Urteil verhängt habe, meinte Richterin Carol Morgan, O’Donoghue sei gestraft genug. Er gelte nun als vorbestraft, und er musste seine öffentlichen Ämter einschließlich seines Aufsichtsratspostens bei der Tourismusbehörde niederlegen. Dort hat man ihn aber nicht vergessen. Als es darum ging, das Hotel für die RTÉ-Serie zu bestimmen, wählte die Behörde das „Gleneagles“. 30 Sekunden TV-Werbung kosten bis zu 15.000 Euro. Interessant ist, dass die Politiker, die das Stimmvieh verarschen, sich beschweren, weil sich in der Bevölkerung Zynismus breitmache.
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