Die Wahrheit: Engpass bei Ministern
Die Bildungsmisere schlägt durch: Der Fachkräftemangel erreicht die Bundespolitik. Ministerien und Parlament werden verwaisen.
Es geht ans Eingemachte. Nicht genug, dass in Deutschland wegen des großen Ingenieurmangels keine Straßen und Brücken mehr gebaut werden. Der Fachkräftemangel hat jetzt auch die Politik erreicht. Experten schlagen Alarm. Einer aktuellen Studie zufolge werde Deutschland schon in wenigen Jahren völlig unregierbar sein, es fehlt schlicht an halbwegs fähigem Personal. Schon bald droht der gigantische Fachkräftemangel auch die Bundespolitik komplett lahmzulegen. Ministerstellen könnten dann auf Jahre unbesetzt bleiben.
Sicher findet sich für Familie, Verkehr und Gesundheit immer ein pfiffiger Studienabbrecher. Aber für schwierige Ministerien wie das Finanzressort fehlen die qualifizierten Bewerber. Die Betonung liegt auf „qualifiziert“. Es hapert oft schon an Grundkenntnissen in Mathe, Physik und Wirtschaft. Kopfrechnen wie der gelernte Steueranwalt Schäuble können heute nur noch die wenigsten. Wenn nicht sofort gehandelt wird, so das Fazit, bleiben in Zukunft nicht nur die Reihen im deutschen Bundestag leer. Auch auf der Regierungsbank hockt dann keine Fachsau mehr.
Der Kräftemangel betrifft alle Parteien, insbesondere aber die altersschwache CDU. Hier fehlen schon bald vor allem Quantenphysiker, schreiben die Autoren der Studie mit Blick auf den geplanten Renteneintritt der gelernten Physikerin Angela Merkel in zwei Jahren.
Nur wenig besser sieht es bei SPD und Grünen aus. Beide Parteien profitieren zwar deutlich vom Zustrom arbeitsloser Sozialpädagogen, Juristen und Heilpraktiker. Eine anständige Regierungsmannschaft bekommt man mit solchen Randberufen aber noch nicht hin.
In der CDU will man das Thema jetzt angehen. Generalsekretär Peter Tauber möchte verstärkt unter jungen Migranten um Fachkräfte für die Politik werben und plant „eine tolle Internetkampagne“. Die Voraussetzungen seien optimal. „Die haben alle E-Mail-Adressen“, schwärmt der Generalsekretär und sieht gigantisches Potenzial. Kritiker bezweifeln allerdings, dass die von Tauber vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichend sind. Flüchtlinge wollen vom Tellerwäscher zum Millionär werden, da ist keine Zeit für irgendein Ministeramt.
Aktuell bietet sich die Ministerriege nicht gerade als Vorbild an. Vizekanzler Sigmar Gabriel (56) verfügt außerhalb der Politik lediglich über Joberfahrungen als Nachtportier. Außerdem war er als Lehrer in einer Volkshochschule tätig und zählt damit bereits zu den Hochqualifizierten.
Längst werden hinter verschlossenen Türen weitreichende Reformen diskutiert, um Fachkräftemangel und Bildungsnotstand in der deutschen Politik zu beheben. Geprüft werden derzeit unter anderem auch Vorschläge zur beruflichen Wiedereingliederung bereits ausgeschiedener Politrentner aus Engpassberufen, wie etwa des gelernten Industriekaufmanns Franz Müntefering und des staatlich geprüften Müllermeisters Michael Glos.
„Es darf absolut keine Tabus geben“, so ein Insider. Vielleicht gibt es dann bald wieder ein paar Politiker, die wenigstens die Grundrechenarten beherrschen.
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