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Die WahrheitDer homosexuelle Mann

Er kommt zurück auf den Teppich. Bescherte ihm noch die Lizenz zum Trauen die Illusion, es sei nicht mehr weithin mit vollständiger Akzeptanz und Gleichstellung, ...

... muss er jetzt in der andauernden Missbrauchsdebatte das Comeback eines altbewährten Vorurteils erleben: Alle homosexuellen Männer sind Kinderschänder. Subkutan wird die längst überholt geglaubte Botschaft in den aktuellen Skandalberichten ohne Hemmungen eingesetzt. Grundsätzlich einig sind sich in der Medienöffentlichkeit alle, dass Kleinkinder ebenso wie Pubertierende und 18-jährige Jungmänner unschuldige Kinder seien, jenseits von Körperlichkeit und Sexualität. Ohne jede notwendige Differenzierung sind sie alle Opfer. Diese grobe Verallgemeinerung fördert das alte Vorurteil.

So bestätigt vor ein paar Wochen der Oberste Gerichtshof Österreichs ein Urteil des Landgerichts Wien, wonach der Besitz homoerotischer Bilder strafbar ist, wenn die Dargestellten wie unter 18-Jährige aussehen. Das tatsächliche Alter der dargestellten Männer spiele keine Rolle, so die Richter. Für den Angeklagten bedeutet das sieben Monate Gefängnis. Am Elite-Internat Salem wird kürzlich ein allseits beliebter Lehrer entlassen, weil er schwul ist. Daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht, deswegen gab es nie einen unlauteren Verdacht. Unter dem Druck der momentanen Stimmung aber hat die Internatsleitung dennoch den Pädagogen - in vorsorglicher Hysterie - nach Hause geschickt.

Und mit dem Flankenschutz der aktuellen Missbrauchsvorfälle positionieren sich derzeit die politischen Gegner einer Gesetzesinitiative der Grünen, der Linken und der SPD. Die wollen, dass das im Grundgesetz verankerte Recht, niemand dürfe aufgrund seines Geschlechts benachteiligt werden, ergänzt werden soll um den Zusatz: "… seiner sexuellen Identität." Die Kontrahenten beschwören dagegen die Gefahr, dass damit auch Pädophile dann das Grundgesetz für sich in Anspruch nehmen könnten. Geht es den Initiatoren des Gesetzentwurfs explizit darum, der Diskriminierung von "Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, transsexuellen und intersexuellen Menschen" entgegenzuwirken, so nehmen die Gegner völlig selbstverständlich die "Pädokriminellen" mit ins Boot - für sie eine Untergruppe der Schwulen.

Entsprechend ruppig gehen sie gegen die Reformer vor. Als Ende April die Linke in einer Anhörung des Rechtsausschusses zum Thema den schwulen Anwalt Helmut Graupner als Gutachter hören lässt, folgt postwendend die Denunziation: Graupner, der sich immer wieder für das Recht von Kindern und Jugendlichen auf sexuelle Selbstbestimmung ausgesprochen hat, wird als Pädophilenfreund bloßgestellt.

Egal wo man hinschaut - alle Homos sind Pädos und umgekehrt. Die Halunken sind damit dingfest gemacht, die nach Entlastung gierende Öffentlichkeit ist zufrieden. Denn eines wissen die, die mit dem Finger auf andere zeigen, genau: Die wirklichen Täter von sexualisierter Gewalt sitzen mitten unter ihnen, in ihren Familien.

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5 Kommentare

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  • G
    gilnur

    nur falls das hier keiner peilt.

    zum csd und pride laufen katholen durch alle foren und allen strassenrändern in aller welt und im osten, dank eines ganz anderen religiösen diskurses dort, als hier wohlgemerkt, amok und bei pedopriestern und bischhofs wo es so hergeht wie sie es bei den läufen suggerieren, da sind leute dann verständnisvoll bis zum geht nicht mehr.

    diese schilderung hier muss aus der wahrheitseite raus, das ist so deplaziert wie die story nicht wahrsein darf.

  • H
    Holger

    @Dennis

    Lieber Dennis,

    was ich sagen wollte, ist das Eine. Das Andere: ich wollte etwas mehr zum Nachdenken anregen, als es uns der nette Elmar vorgegeben hatte. Mir erschien sein Beitrag doch ein wenig mager - bei so einem schwierigen Thema.

    Wenigstens bei Dir scheint meine Provokation ja gewirkt zu haben.

    Eine gute Frage: was wollte ich sagen? Zunächst einmal dies: die Dinge sind viel komplizierter, als sie scheinen. Und sie sind viel zu kompliziert, als das es möglich wäre, sie in einem kleinen Artikel auch nur ganz grob zu umreißen. Und möglicherweise sind sie auch zu kompliziert, um damit Leute zu belästigen, welche nicht unmittelbar davon betroffen sind und schon deshalb eine gewissen Distanz dazu wahren wollen.

    Niemand soll sich ein Mäntelchen überziehen, dass ihm nicht passt. Es geht auch gar nicht um Prozente und die Frage, wieviele Leute denn nun so oder so gebaut sind. Ich meine u. a., man muss die Frage, was wir unter Sexualität verstehen und weshalb wir sie zu großen Teilen negativ konnotieren, viel grundsätzlicher stellen, als dies bisher geschieht. Anders gefragt: zu welchem Zweck hat die Gesellschaft überhaupt den Begriff der Sexualität eingeführt? Auf diese Fragen kann man sehr viele und sehr unterschiedliche Antworten finden. Einige werden sicher mit Machtausübung, Unterdrückung und Diskriminierung assoziiert werden. Andere mit Liebe, Verständnis oder Wohlwollen. Die nächsten werden sich auf die Differenzierung moralischer Vorstellungen richten und so fort. Das heißt schließlich, Sexualität als Begriff beschreibt nichts bzw. nur sehr wenig, was sich aus sich selbst heraus verstehen lässt. In der Regel hat er einen ideologischen Kontext, und als solcher wurde er auch entwickelt.

    An dieser Stelle höre ich auf, und Du kannst dann wieder allein weiter denken. Nein, Du solltest auf keinen Fall resignieren, das würde ich nicht gutheißen. Und da ich so alt bin, ganz locker Deinen Pappi geben zu können, brauchst Du mich auch nicht über den Werdegang der Schwulenbewegung belehren zu wollen. Aber Du kannst Dir vielleicht von mir sagen lassen, dass es nicht gut ist (um immer noch bei Wetter und Wasser zu bleiben), in einem roten Gummiboot auf dem weiten Meer herumzuschippern. Ein wenig Realismus und Geschichtskenntnisse nicht nur über die letzten fünfzig Jahre können bei der Beurteilung der Situation nicht schaden und vor sehr bösen Erfahrungen bewahren.

    Das also hatte ich sagen wollen: 1. liebe mit-Schwule, vertraut nicht zu sehr darauf, dass heute noch die Sonne scheint. 2. Sexualität ist ein ideologischer Kampfbegriff, der moralisch negativ besetzt ist. Er ist noch negativer besetzt, wenn er als Homosexualität erscheint. Er ist noch negativer besetzt, wenn er als Päderastie erscheint. Aber wieviel er mit der Wirklichkeit der Begegnung von Menschen zu tun hat, vermag er nicht ohne weiteres zu erklären.

    Herzliche Grüße, lieber Dennis

    Holger

  • D
    Dennis

    @Holger

    was willst du uns jetzt eigentlich genau sagen? Sind nun alle Schwule Päderasten oder nicht?

    Das schwule Männer, die auf Minderjährige stehen Päderasten sind und die, die auf erwachsene Männer eben nicht, ja, das sollte eigentlich für jeden einleuchtend sein.

    Als schwuler Mann in den Endzwanzigern, der gelegentlich noch beim Kippenkaufen nach dem Ausweis gefragt wird, kann ich durchaus bestätigen, dass es so einige Päderasten unter der schwulen Bevölkerung gibt.

    Aber wie groß diese Zahl auch immer sein mag, sie beträgt keinesfalls 100%.

    Also soll das jetzt heissen, dass auch die "normalen" Schwulen sich jetzt das Päderastenmäntelchen überziehen sollen, weil eben "das Klima rau" geworden ist und die Leute eine Gruppe Buhmänner braucht, um sich an denen abzureagieren? Oder soll man einfach resignieren, weil "die Menschheit halt schon immer intolerant war", und man das eh nie ändern könne?

    Tolle Optionen.

    Du solltest mal bedenken, dass es bis vor relativ wenigen Jahren selbst in Deutschland Homosexualität offiziel illegal war. Und hätte es da nicht Leute gegeben, die sich getraut haben den Mund aufgemacht haben, wäre sie das vielleicht noch immer. Sich hinzustellen.

    Um nochmal deine Wetter-Metapher aufzugreifen:

    Wenn's zu einer Überschwemmung kommen würde, würdest du ja wohl auch nicht zuschauen, wie du gemeinsam mit deinem ganzen Hab und Gut langsam absäufst. Oder?

  • H
    Holger

    Lieber Elmar krauses Haar,

    es ist merkwürdig still bei Deinen Leserkommentaren, nicht wahr? Ob das ein Zufall ist? Darf ich mir einen Hinweis erlauben zu Deinem Beitrag? Darf ich bestimmt.

    Also: ich bilde mir ein, sehr gute Gründe dafür zu haben, mich auf so etwas wie ein coming out niemals eingelassen zu haben. Diese pseudoprogressive Schwulenlyrik von wegen wir befreien uns jetzt von allen Diskriminierungen, an die habe ich noch niemals glauben können. Ich habe leider ganz andere Erfahrungen mit Menschen machen müssen. Da blieb nicht viel Platz für Gutgläubigkeit und rotbäckig katholisches Kuscheln. Ich war mir noch immer sehr sicher, dass Schwule den Nicht-Schwulen stets sehr verdächtig waren und bleiben. Und wer verdächtig ist, wird im Zweifelsfall gejagt.

    Ich bin vielleicht ein wenig sehr misstrauisch, das mag sein. Aber so war es wohl schon öfter in der Geschichte der Menschen: solange die Sonne scheint und alle satt sind, ist man nett zueinander. Wehe wenn es stürmt und schneit, wenn gehungert wird und Wichtiges ins Wanken gerät.

    Es bringt wohl nicht viel, sich jetzt weinend an Sündenbocktheorien zu versuchen und darüber zu klagen, dass andere nur ihr eignes schlechtes Gewissen beruhigen wollen, indem sie mit ausgestrecktem Finger auf die bösen Homopädos oder sonst wen zeigen. Solche Theorien sind entweder heuchlerisch, oder naiv. Such Dir was aus. Übrigens lese ich Deine Artikel eigentlich sehr gern. Sie sind immer so schön herzlich und wohlmeinend.

    Aber wie Du siehst, jetzt zieht stürmisches Wetter auf. Da helfen solch hübsche Manöver nicht mehr so recht. Vielleicht könnte es besser sein, mal etwas mehr darüber nachzudenken, wie viel an dieser Argumentationslinie tatsächlich dran sein könnte, (alle) Schwule(n) wären irgendwie auch Päderasten.

    In mancher Hinsicht mag die Aussage stimmen, wenigstens für diejenigen, die Knaben attraktiv finden und so etwas wie pädagogische Ansprüche an sich selbst entwickelt haben. Dann ist die Frage tatsächlich nur noch, ob sie ihr Verhalten so zu steuern vermögen, dass sie nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

    In anderer Hinsicht stimmt sie nicht: für die Schwulen, die nur Männer erotisch finden, und denen Knaben gleichgültig sind. Wer aber wollte sagen, wie groß die Anteile dieser Gruppen an der Gesamtzahl sind? Meine Vermutung, gegründet auf eigene Erfahrung, besagt dabei, die erste Gruppe hat eine so signifikante Größe, dass die Vermutungen der Rest-Gesellschaft nicht ganz von der Hand zu weisen sind. Denn immerhin korrespondiert dies mit der Erfahrung, dass Männer auch gerade junge Frauen und Mädchen sehr anziehend finden.

    Das ist schlimm, nicht wahr? Was soll man mit einem solchen Befund nun anstellen? Ich hätte da so einige Vorschläge. Aber ich möchte niemandem das Denken abnehmen.

    Herzliche Grüße, Dein

    Holger

  • DS
    Das Selbst

    Das wir sowas immer noch nötig haben. Wir Menschen sind zu bemitleiden.