Die Wahrheit: Werbende Höllenhunde
Besuch beim Monatsmeeting der Agenturdämonen.
Aus dem finstersten Hinterhof der Wortspielhölle poltert heiseres Krächzen, bricht sich tausendfach in den rußgeschwärzten Gewölbegängen und findet dann seinen Weg in des Leibhaftigen Ohr. Er schmunzelt zufrieden. Nun weiß er, dass er sich bald wieder am Leid der Menschen laben kann. Denn die Werbedämonen haben sich zum monatlichen Meeting zusammengerottet und brüten über neuen teuflischen Reklame-Aktionen, mit denen sie die irdischen Konsumenten in den Wahnsinn treiben wollen.
Astox Semanticor, oberster aller schlangenzüngigen Phrasenvergifter, stellt seinen neuesten Coup vor. Quietschend fährt er mit den Krallen über die pechschwarze Schiefertafel. "Aufgepasst, Dämonen! Tagesordnungspunkt 1", grunzt er. "Wir machen was mit Wasser." Sofort wollen die ersten wasserscheuen Höllenhunde "Buh, Wasser!" rufen, da setzt Astox mit einem Klauenzeig auf die Karte nach: "Das hier ist die Spree, ein herzerfrischend dreckiger Fluss. Das Wasser füllen die Menschen in Flaschen und verkaufen es als Spreequell." Satyrisches Gejohle macht sich breit. "Und genau bei diesem Wasser setzen wir an", ergänzt Astox und startet seine multimediale Demonpoint-Präsentation - die interne Premiere des Spreequell-Songs beginnt: "Düdeldüdüm-da-düm, dadada-dümdüm", schallt es durch die Gänge. Astox wippt mit dem Pferdefuß und setzt mit seinem Reibeisenbariton ein: "Volle Pulle, volle Pulle Leben! Dadada, didüm. Volle Pulle!" Die Dämonen klatschen im Takt. Wenn das kein teuflisch guter Hit wird.
Zeit für Top 2: Radiospots. Kollege Nimbus Kronotar übernimmt und erklärt mit grollender Stimme: "Folgende Situation: Ein Mann und eine Frau unterhalten sich in einem Zimmer. Der Mann sagt: ,Du bist wie ein Engel …'" - "Buh, Engel!", rufen die ersten Dämonen. "Moment, Moment", hakt Nimbus ein. "Also, der Mann hält sie für so ein weicheieriges Federvieh mit Heiligenschein. Dann sagt er: ,Du bist wie Spreequell, ohne Kohlensäure.' " Der Vorsitzende Astox applaudiert: "Ja, das ist gut! Du bist wie stilles Mineralwasser, geschmacklos und überhaupt nicht prickelnd!" Die Dämonen feixen und klopfen sich auf die Schenkel. Ein kurzer Anruf bei Radio Feuerwelle genügt und der Spot geht auf Sendung.
Top 3 steht auf dem Plan: ein diabolisch inszenierter Imagefilm, der ahnungslosen Zuschauern das Blut in den Adern gefrieren lässt. Der audiovisuelle Fachdämon, Rex Telegrimm, auf Erden, früher bekannt als Rainer Werner Fassbinder, ergreift das Wort. "Dämonen, dafür brauche ich eure Mithilfe, ihr müsst alle mitspielen, damit es authentisch wird." Sogleich beginnen die ersten Dämonen, sich die furchigen Fratzen zu schminken, bis sie aussehen wie Studenten und junge Mütter. "Ich brauche ungefähr zwölf Testimonials und ein paar Freiwillige, die Fahrrad fahren", führt Rex sein Drehbuch weiter aus. "Ach, und Astox, du müsstest dann noch deinen Volle-Pulle-Song live vor der Kamera singen." Kein Problem für Astox, der sich flugs in zwei Casting-Show-Vorrundenausscheider transformiert, die so schief singen, dass einem fast die Augäpfel platzen. "Dann fehlen noch ein Hund und ein paar bunte Luftballons", schließt Rainer Rex seinen Vortrag. Die werbenden Höllenhunde sind völlig aus dem Häuschen und träumen schön von der glanzvollen Premiere im hauseigenen Höllenkino.
Die monatliche Sitzung neigt sich dem Ende, und abschließend ist sogar der Satan persönlich gekommen, um seinen fleißigen Werbedämonen zu gratulieren. "Das wird ein großartiger Sommer, ich bin stolz auf meine Teufelsbande!" Dann teilt er der versammelten Meute hochoffiziell mit, die Mehrheit an Spreequell übernommen zu haben, damit man von den Früchten der Werbeoffensive auch etwas abbekomme. Außerdem wolle der Beelzebub die Temperatur in Deutschland kurzerhand auf Höllenniveau anheben, um den Absatz an schwefelsaurem Mineralwasser anzuheizen.
Damit endet das erfolgreiche Meeting - Astox Semanticor setzt die nächste Sitzung der Werbedämonen für Ende August an. Das geplante Thema: juckreizfördernde Hämorrhoidencreme.
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