Die Wahrheit: Kampf der Schamanen
Mit Schamanen habe ich nur beste Erfahrungen gemacht. Meine erste Begegnung war tief im indonesischen Dschungel, nach zwei Stunden Fußmarsch mit einer Hilfsorganisation.
M it Schamanen habe ich nur beste Erfahrungen gemacht. Meine erste Begegnung war tief im indonesischen Dschungel, nach zwei Stunden Fußmarsch mit einer Hilfsorganisation. Ledrige kleine Männer im Lendenschurz, ohne Zähne, aber mit Tabakstummel im Mund saßen im Langhaus und lachten pausenlos. Vielleicht über ihre zwei bis drei Armbanduhren pro Handgelenk, die nicht mehr liefen. Abends gab es eine Zeremonie. Die Greise murmelten Beschwörungsformeln, wedelten mit Federn und tanzten den Hühnertanz. Der wirkt gegen Malaria besser als der Ententanz. Wir ließen ihnen Lebensmittel und Moskitonetze da.
Mein nächster Schamane war ein langhaariger New-Age-Meister aus Arizona, der um die Welt reiste und die Liebe lehrte. Er praktizierte sie auch, mit so vielen Frauen wie möglich. So übertrug sich die Magie. Mir blieb die Zauberkunst seines yogagestählten Körpers vorenthalten. Umso objektiver kann ich behaupten, dass es sich bei „Baba Dez“ – ein Wüstenname – garantiert nicht um einen Scharlatan handelte, sondern nur um die Reinkarnation Jesu Christi in sexueller Reinform. Bezahlt wurde er in Dollar, nicht in Naturalien.
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es die schamanische Mittelschicht. Die tummelt sich logischerweise in Mittelerde. Genauer, in Woodville. Das ist ein trostloses 4.000-Seelen-Kaff auf der Nordinsel, wo ein Viertel dieser Seelen keine Ausbildung hat und bedröhnt in Gummistiefeln herumschlurft. Anliegende Orte wie Featherston sind vor allem durch schwere Fälle von Kindesmisshandlung bekannt. Dunkle Kräfte sind in Woodville und Umgebung am Werk.
In dritter Generation – so etwas zählt auf dem Lande und in der Geisterwelt – praktiziert dort Joseph O’Connor das Schamanentum. Als Hellseher, sagt er, verlange er kein Geld. Der 81-Jährige – weißer Ziegenbart, überkämmte Glatze, lila Hemd – wetterte jetzt öffentlich gegen seine Konkurrenz namens „Laughing Bear“. Lachender Bär, kurz LBear, heißt mit bürgerlichem Namen Karys Woodcock. Der 65-Jährige – Indianerhut, Lederjacke mit Fransen, schwere Silberringe – kommt aus England und ist Gelegenheitsschauspieler. Da er indianische Vorfahren vom Stamme der Crow hat, bietet er „Medizinmannsitzungen“ und ähnliche Ghostbuster-Leistungen an. Für 60 Dollar die Stunde, was weit unter dem Satz von Liebesbringer Baba Dez liegt, aber den alteingesessenen Zauberer vor Ort dennoch erbost.
„LBear lebt in einer Fantasiewelt“, erboste sich O’Connor. In seiner Zunft habe es manierlich und amtlich zuzugehen: „Räume an einen unregistrierten Hellseher zu vermieten, muss unterbunden werden.“ Echte Schamanen würden kein Honorar verlangen. „Viele sogenannte Wahrsager berauben das Volk. LBear schadet all den Heilern, die dieses Land gemacht haben.“ Wahrscheinlich wollte er „groß gemacht haben“ sagen, aber auch das verbietet ihm sein Berufsethos. Lachender Bär konterte, dass Männer wie er heute nicht mehr mit Elchen oder Büffeln bezahlt werden. Vielleicht braucht er einfach nur ein paar Uhren, die nicht mehr gehen.
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