Die Wahrheit: Nackt auf Pille
Schwabinger Krawall extra: Nach dem verdammten Weltuntergang.
Wie der Jackie gefragt hat, was der Hubsi an Silvester vorhabe, hat der Hubsi gesagt, er sei ja wohl von vorgestern. Dieses läppische Jahresende sei nur was für gelähmte Bockwurstnasen und ansonsten absolut abgesagt, weil man heutzutage das Ende der Welt feiere, das ein mittelalterlicher Aztekenpfaffe vorhergesagt habe und das ein super Anlass sei, es so richtig krachen zu lassen, weil man sich das Aufräumen danach sparen könne, wenn sowieso alles in sich zusammenklappe.
Er glaube doch nicht im Ernst an diesen Esoschmarrn, hat der Jackie gefragt, und der Hubsi hat gesagt, natürlich nicht, aber die Violetta sei fest davon überzeugt und seit Wochen damit beschäftigt, die ganze Wohnung mit einem tantrischen Menstruationszauber zu segnen, um der Katastrophe zu entgehen; somit habe er freie Bahn, um nicht nur bei dem Apokalypsenfest von der Mareike in Germering die Kuh fliegen zu lassen, sondern auch endlich mal die Tabletten einzuwerfen, die er vor Jahren von diesem Performancekunstheini gekriegt und aber nie herausgefunden habe, um was es sich dabei eigentlich handle.
Der Jackie hat die zwei unscheinbaren Pillen angeschaut und gemeint, er nehme eigentlich nichts, wovon niemand wisse, was das sei, andererseits wisse man das bei einem norddeutschen Pils auch nicht so genau, und wenn sowieso die Welt untergehe, sei ihm alles wurst, zumal die Jacqueline ebenfalls seit ein paar Wochen nur noch am Meditieren und Pendeln sei und mit Engeln kommuniziere und deshalb in ihrer Panik gar nicht mitkriegen werde, wenn er für ein paar Stunden oder Wochen verschwinde.
Also haben sie die Tabletten mit Weißbier hinuntergespült und gewartet, was passiert. Es ist aber nichts passiert, auch nicht nach dem vierten Weißbier; dann hat der Hubsi den Ferrari-Schorsch angerufen, ob er mit zur Apokalypsenparty nach Germering wolle und sie eventuell hinchauffieren könne, aber der Ferrari-Schorsch hat gesagt, seine neue Verlobte aus Mexiko habe ihm nach Befragung seines Sonnenbogenhoroskops strikt verboten, vor dem Morgengrauen des Tages 4 Ahau 3 Kankin, also ungefähr Samstag oder Montag, das Haus oder auch nur das Bett zu verlassen, was ihm angesichts ihrer überbordenden Libido ganz entgegenkomme und woran er sich deswegen zu halten gedenke.
Germering, hat der Hubsi gesagt, sei nicht das Ende der Welt, da komme man notfalls auch mit der S-Bahn hin. Allerdings war es auf der Leopoldstraße irgendwie lauter, bunter und wirrer als sonst, deshalb haben sie beschlossen, erst einmal beim Renato einzukehren. Dort ist der dicke Kerl von dem Event-Heft gesessen, den der Jackie aber kaum erkannt hat, weil er so komisch funkelnde Augen und ein seltsam verzerrtes Gesicht gehabt hat.
Dann hat dem Jackie sein zweiter Caipi zu reden angefangen und gesagt, er sei eine spirituelle Badewanne, und wie der Jackie hineinsteigen wollte, um sich ein wenig zu wärmen, ist er irgendwo hängen geblieben und hat sein Gleichgewicht erst wiedergefunden, wie der Hubsi gesagt hat, er solle Obacht geben, damit ihn das Drachenpferd nicht überfahre.
Da haben sie festgestellt, dass sie am Stachus sind, wo es noch lauter, bunter und wirrer war, und dann hat der Hubsi irgendwo auf irgendeinen Knopf gedrückt und den freundlichen Baum gefragt, ob er die Mareike kennt, und der Jackie hat gesagt, er halte verdammt noch mal das Geheul der Geißlermeuten nicht mehr aus.
Dann ist irgendwas explodiert, und um nicht nass zu werden, haben sie sich in eine Treppe eingewickelt und sind eingeschlafen, und wie sie schließlich wieder aufgewacht sind, war es schon hell, und der Polizist hat gefragt, ob sie noch ganz bei Trost seien, bei null Grad nackt in einem U-Bahnhof am Boden herumzuliegen.
Tabletten, hat der Jackie gesagt, rühre er in seinem ganzen Leben nicht mehr an, und dem Hubsi hat so der Kopf gedröhnt, dass er überhaupt nichts sagen hat können, während sie der Polizist freundlicherweise heimgefahren hat. Die Jacqueline und die Violetta wiederum waren so froh, den Weltuntergang überstanden zu haben, dass sie ebenfalls nichts gesagt und sich nur ein bisschen gewundert haben, wieso der Jackie und der Hubsi trotz der ganzen Platzwunden und blauen Flecken und der massiven Grippe so selig gegrinst und bis zum Montag durchgeschlafen haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern