Die Wahrheit: Problembär auf Glatteis
Endlich sind die Russen wieder richtige Feinde. Jetzt hoffen russische Problembären auf größere Gehege. Und die Welt wird wieder übersichtlich.
Als wollte uns der kalte Sommer auf eine Veränderung der politischen Großwetterlage hinweisen: Anscheinend kehrt der Kalte Krieg zurück, die Beziehungen zwischen Wladimir Putin und der restlichen Welt sind on the rocks, aber das russt ihn nicht, mit eisiger Miene hat er seine Position beim letzten G-8-Gipfel zementiert.
Seit den neunziger Jahren fühlen sich die Russen gedemütigt. Gorbi, auch Väterchen Defrost genannt, ist für sie die Verkörperung des nicht nur wirtschaftlichen Abstiegs. Manchmal schäumt der Russe, wenn er das alles bedenkt, heftiger als Krimsekt, dann ist der Russe wütend und sieht sich vom Westen betrogen: Nato-Osterweiterung, neue Gasleitungen, die nicht über russisches Territorium laufen, und so weiter. Putin langt’s schon lange. Jetzt wird erst einmal die Opposition nach und nach schockgefrostet, und die barbusigen Femen-Mädels müssen sich warm anziehen.
Dabei kann der Kalte Krieg durchaus auch seine Vorteile haben: Gerade in Zeiten der Klimaerwärmung, an der die Forscher ja trotzig festhalten, würde eine neue Eiszeit den Planeten ein bisschen herunterchillen. Vielleicht stehen auch bald wieder Mauerbauer in Lohn und Brot. Eine neue Eiszeit, da würde nicht nur verbitterten Ossis warm ums Herz.
Kaum begann Ende der achtziger Jahre das Eis in Polen zu schmelzen, schmolz es auch an den Polen. Die Eisberge von Spitzbergen mögen zwar nur die Spitzen der Eisberge sein, aber als sich die Gemüter häufiger erhitzten, wuchs die Schmelzgefahr. Jetzt aber schöpfen die Eisbären wieder Lebensmut, und russische Problembären hoffen auf größere Gehege.
Die Welt ist aus den Fugen
Die Welt würde wieder übersichtlicher werden, denn als damals die Feindbilder wackelten, geriet sie aus den Fugen: Jugoslawien und Tschetschenien sind die schlimmsten Folgen bislang. Dazu orientierungslose Familienväter im Westen, die ihre missratenen Sprösslinge nicht mehr anschreien konnten, doch nach „drüben“ zu gehen! Und wir müssten dem Iwan nicht dauernd unseren guten Euro rüberschicken für rollende Rubel.
Für die Russen brächte neues Eis auch diplomatische Vorteile, würde das politische Parkett wieder gegen das altbewährte Glatteis ausgetauscht, denn in keiner Disziplin sind sie besser als im Eiskunstlauf. Die Außenminister könnten wieder ordentlich miteinander Schlitten fahren und bei frostigen Empfängen Kalterer See schlürfen, diesen Wein aus der Vernatsch-Traube. Dann doch lieber kalten Kosakenkaffee, ultracool.
Die Chancen sind gut: Der russische Bär kommt wieder in Form, er fletscht die Zähne, der Honig ums Maul ist getrocknet, auch Kreide frisst er keine mehr. Hoffnungsfroh stimmt, dass soeben herauskam, dass Premier Putin mit Vornamen Ras heißt. Bei den Hauptquartieren der westlichen Geheimdienste überlegt man schon fieberhaft, wie man dem neuen, alten Feind gegebenenfalls empfindlich in die russischen Eier treten kann, gerade nach dem Geplänkel um Edward Snowden. In Zeiten, wo nicht mal mehr der Araber als Feindbild taugt, ist man dankbar für jede noch so eisig klare Orientierungshilfe.
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