Die Wahrheit: Krieg ums Ei
In den USA beginnt die neue Saison im American Football – einer wilden Mischung aus Fußball, Schlammcatchen und dem Sezessionskrieg.
Jetzt geht’s lo-hos! Amerikas Rabauken sind wieder da! Nein, nicht die Jungs in Langley oder die von der Grenzpatrouille. Am Donnerstag starten die Football-Profis mit dem „Opening Day“ in die neue Saison.
Football ist im Mutterland weit mehr als nur ein Sport: In den USA wird diese wilde Mischung aus Fußball, Handball, Schlammcatchen und dem Sezessionskrieg als Therapie geschätzt. Der Trainer wird „Coach“ genannt, was sicher nicht zufällig an den Begriff „Couch“ erinnert. Und gerade im modernen Management werden die Tugenden eines „Quarterbacks“ geschätzt: umwerfendes Durchsetzungsvermögen, Flexibilität und die rigorose Umsetzung des alten Grundsatzes: „Wer trifft, hat recht.“
Die Spielregeln sind rasch erklärt: Das Feld ist rechteckig, zu beiden Seiten befindet sich ein Tor. Es ist unterteilt in 20 Einheiten zu je 10 Yards. Das Spielgerät ist ein mit Luft aufgeblasener Hohlball, den es über die Torlinie zu bringen gilt. Dummerweise hat er die Form eines verlängerten Rotationsellipsoids, was das Fangen erschwert und irgendwie nach Dopingmittel klingt.
Spielbestimmend sind die „Linemen“ in der Abwehr, deren Name sich ableitet von den Lines, die sie sich vor dem Match reinziehen müssen, um die Strapazen durchzustehen. Das Überfliegen der 80-Yard-Linie ist für einen „Lineman“ nicht selten ein transzendentales Erlebnis, und wenn er seinen Mundschutz vergessen hat, sogar ein dentales.
Alle Spiele unterliegen der Helmpflicht, die Dinger lassen sich zur Not optimal als Wurfgeschosse verwenden. Entscheidend ist letztlich der Raumgewinn beziehungsweise, nach einer Niederlage, der Landgewinn.
Football ist ein taktisches Spiel. Die Spielzüge wurden zum Teil schon in Vietnam erprobt, neuere Varianten werden oft am Computer entworfen, was es dem Gegner leicht macht, sich ins System zu hacken. Gern erfragt man die Daten gegen Freitickets einfach bei der NSA an. Anders als andere Züge kommen die Spielzüge nie verspätet.
Seit den siebziger Jahren ist Football die beliebteste Sportart in den Staaten, noch vor Baseball, das in seinen langweiligeren Phasen an Gartenarbeit erinnern kann. Für viele Fans bedeutet Football mehr als das bloße Aufeinandertreffen archaischer Naturgewalten: Dicke Männer finden hier endlich die Identifikation, nach der ihr Selbstbewusstsein dürstet. Nate Newton zum Beispiel wurde bei den Dallas Cowboys seinerzeit vor allem wegen seiner 142 Kilogramm Lebendgewicht geschätzt. Football ist eine der wenigen Sportarten, in denen Dicksein „in“ ist. Andererseits ist Football gesund: So beugt das verbale Freisprechen an der Auswurflinie, wo der Spieler seinem Unmut Luft machen kann, Herzinfarkten vor.
Die Saison endet im Superbowl genannten Finale, in dessen Halbzeitpause beliebten Sängerinnen Gelegenheit gegeben wird, die eine oder andere Brustwarze zu präsentieren, im Volksmund „Nipplegate“ genannt.
Wie so oft in den USA ist dieser Sport als Metapher zu begreifen: Den Kopf zwischen die Schultern zu klemmen und dann drauflos zu rennen, beschreibt die amerikanische Mentalität schon ganz gut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“