Die Wahrheit: Der Tunnel nach Brasilien
Der kleine Kevin und sein Kumpel Solkan wollen einen Tunnel zum Zuckerhut graben – mit einem Hammer. Das geht schief.
S eit einer Woche sitzt der kleine Kevin am Fenster und schaut trübsinnig hinaus in den Oktoberregen. Jetzt hat der Solkan an der Tür geläutet und zum Kevin gesagt, er habe was im Fernsehen gesehen und der Kevin solle einen Hammer mitnehmen, weil sein Papa ihm unter Berufung auf irgendeine Koransure keinen aushändigen wolle.
Die Mama hat den Kevin gefragt, wo er mit dem Hammer hinwolle, und war, wie der Kevin gesagt hat, sie müssten einen Tunnel nach Brasilien graben, damit die Sonne durchkomme, und das gehe nicht ohne Hammer, kurz davor, einzugreifen. Aber Onkel Rainer hat gemeint, das sei ein Kinderschmarrn, man könne auch mit einem Hammer keinen Tunnel nach Brasilien graben, also solle sie die Buben ruhig spielen lassen.
Es dauert keine halbe Stunde, da geht im Hof der Radau los. Nämlich haben der Kevin und der Solkan mit dem Hammer die Glasbausteine vom Oberlicht der Tiefgarage eingeschlagen, weil sie die darunter angebrachte Lampe für die Sonne von Brasilien gehalten haben, dann beschlossen, sich zur Erleichterung der weiteren Arbeit in Frau Schusters Lebensmittelgeschäft Kaugummis zu kaufen, während Herr Hammler, der nachschauen wollte, was das Geklopfe soll, im nachmittäglichen Halbdunkel das Loch übersehen hat und drei Meter tiefer im glücklicherweise vollständig aufgepumpten Schlauchboot der Familie Reithofer gelandet ist.
Nachdem er seinen Schreck überwunden hat, stürmt Herr Hammler zurück in den Hof und brüllt die zufällig anwesenden Mitarbeiter der Müllabfuhr an, sie seien wohl wahnsinnig, Todesfallen ohne Baustellenabsperrung aufzustellen, und er wolle sich gar nicht ausmalen, was passieren hätte können, wenn Frau Reibeis in ihrem 94-jährigen Demenzzustand in das Loch gestürzt und elendig da drunten verhungert wäre. Frau Reibeis plärrt vom Balkon, dement sei höchstens er selber und sie habe noch gute Ohren.
Alle brüllen durcheinander
Die Müllmänner, die sich nicht zu helfen wissen, telefonieren lautstark mit ihrer Zentrale, der Papa vom Solkan schreit nach seinem Sohn, Herr Reithofer fordert die sofortige Einstellung des „Muezzingeheuls“, und als sich Onkel Rainer aus beruflichem Interesse als Anwalt in den Hof begibt und feststellt, es handle sich um eine Sachbeschädigung geringeren Ausmaßes, für die wegen Unmündigkeit der Hauptverdächtigen niemand zur Rechenschaft gezogen werden könne, brüllen alle durcheinander, bis Frau Reibeis mit zwei Brettern dahertippelt, diese auf das Loch legt und verfügt, es habe sofort Ruhe einzukehren, sonst schicke sie ihren Kriegsdienstverweigerer, der von Kopf bis Fuß tätowiert sei.
Dass am Rande des Geschehens der Solkan zum Kevin sagt, theoretisch könne man mit einem Schlauchboot nach Brasilien fahren, kriegt niemand mit. Das ist aber nicht so schlimm, weil das Boot von den Glasbausteinsplittern sowieso irreparabel beschädigt ist, was ebenfalls keine Rolle spielt, da Herrn Reithofer die Lust am Schlauchbootfahren schon längst vergangen ist und seine Frau sich noch nie viel daraus gemacht hat.
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