Die Wahrheit: „Das waren Hammerpartys“
Singende Mörderpuppe und ein Chor für Tschingis Khan: Der Musikwissenschaftler Bartar Khan über die engen deutsch-mongolischen Karaokebeziehungen und die ARD.
Musik verbindet die Kulturen der Welt. Das kann schön sein, muss es aber nicht. Ein mongolischer Karaoke-Kenner berichtet im taz-Gespräch aus der internationalen Praxis.
taz: Herr Bartar Khan, in Deutschland kennt man die Mongolei als Land der Reiter, Ringer und Bogenschützen. Aber Karaoke …
Bartar Khan: Wir Mongolen lieben Karaoke! Schon Tschingis Khan war ein großer Karaoke-Sänger.
Ihr nationaler Volksheld, der vor 800 Jahren das größte Weltreich der Geschichte schuf?
Tschingis Khan war nicht nur ein großer Krieger. Wenn er mit seinen Reitern andere Länder eroberte, gab es immer tolle Siegesfeiern am Lagerfeuer. Dabei hat er sich von einem Gefangenenchor die Lieder der besiegten Völker vorspielen lassen. Dann hat er den Leuten die Zungen abgeschnitten und die Lieder selbst gesungen. Seine Soldaten mussten es ihm nachmachen. Wer am besten sang, durfte den Gefangenen nachher die Köpfe abschlagen. Das waren Hammerpartys.
Karaoke ist also eine traditionelle mongolische Volkskunst?
Auf jeden Fall. Selbst in der kommunistischen Phase unseres Landes, als die Russen bei uns das Sagen hatten, haben wir an der Tradition festgehalten. Natürlich heimlich in privaten Karaokekellern. Es gab zwar auch eine Karaoke-Show im Staatsfernsehen. Bei der durften die Kandidaten aber nur auf Sowjetschlager von Alla Pugatschowa singen. Erst nach der Wende in unserem Land 1990 änderte sich das. Plötzlich schossen die Karaokebars in Ulan-Bator wie Pilze aus dem Boden. Es gibt sogar Karaokejurten, die über das Land ziehen, damit unsere Steppenbewohner auch in den Genuss dieser Unterhaltung kommen können.
Jetzt eröffnet sogar die deutsche ARD in Ulan-Bator ein Karaokehaus. Wie kam es denn zu dem Coup?
Als Bundeskanzlerin Merkel 2012 unser Land besuchte, hatte sie gegenüber unserem Regierungschef nebenbei erwähnt, dass sie zu Hause auch gern mal mitsingt, wenn sie beim Kochen Radio hört oder wenn sie in der ARD diese Sonnabendshows guckt. Wie heißt die noch mal?
Frühlingsfest der Volksmusik?
Ja, genau. Und als wir kürzlich im Fernsehen sahen, wie Frau Merkel und ihre ganzen Parteikollegen bei der Bundestagswahlparty alle so ein Lied von den, äh …
… Toten Hosen …
… ja, also, als die das alle so berauscht mitsangen, da kam das bei unserem Publikum super an. Ihr Deutschen seid ja ohnehin sehr beliebt in der Mongolei, aber die Show war wirklich klasse. So kannten wir die Deutschen eigentlich gar nicht. Jedenfalls haben viele Zuschauer danach angerufen und gefragt, ob man nicht auch ein deutsches Karaokehaus in Ulan Bator eröffnen könnte, in dem man deutsche Lieder mitsingen kann.
Wer hat die Idee aufgegriffen?
Unser Staatspräsident hat sich persönlich dafür eingesetzt, weil wir doch 2014 auch 40 Jahre deutsch-mongolische Beziehungen feiern. Wir haben also bei der Bundesregierung angefragt und die hat uns an die ARD verwiesen, weil die angeblich die besten Profis für Mitsing- und Mitklatschshows hat.
Wird die ARD das neue Karaokehaus in Ulan-Bator eigentlich selbst betreiben?
Nein, das geht wohl nicht, weil das Ärger geben würde wegen Gebührenverschwendung, haben sie uns gesagt. Aber sie wollen uns regelmäßig Leute schicken, die hier als Gaststars auftreten.
Gibt es schon Namen?
Das soll noch eine Überraschung bleiben. Sicher ist aber, dass eine Gruppe „Dschingis Khan“ kommen soll.
Die mit dem „Hu, ha, sauft Brüder, rauft Brüder“?
Also, wir kennen die eigentlich gar nicht, aber in Deutschland sollen die eine Riesenmitgrölnummer sein. Und der Name ist natürlich super.
Wer noch?
Also wir würden auch gern mal die Band von der letzten CDU-Wahlpartykaraoke erleben, diese „Hoden Tosen“. Zur Eröffnung kommt aber erst mal ein anderer bekannter Sänger von unserem Partner ARD.
Florian Silbereisen?
Nee, Buro oder so.
Tom Buhrow?!?
Ja, genau. Soll ein toller Sänger sein. Hat der viele Hits in Deutschland?
Kein Ahnung, Herr Bartar Khan, keine Ahnung.
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