Die Wahrheit: Kurze Hose, kurze Sätze

Der kürzlich gewählte Weltfußballer Cristiano Ronaldo wird noch viel zu wenig gewürdigt für seine Glanztaten außerhalb des grünen Rasens.

Das Musical: Appes Bein. Bild: Ari Plikat

Ich will ficken und reich sein: Das ist in etwa die Essenz eines jeden Rosamunde-Pilcher-Romans. Die britische Bestseller-Autorin hat mit diesem überschaubaren Inhalt über die Jahrzehnte tausende Buchseiten gefüllt und ZDF-Abende am Sonntag in die Fernsehlandschaft geklöppelt und gilt deshalb als Grande Dame der Unterhaltung.

Gleicher Inhalt, anderes Standing: „Me, you, fuck, fuck“, soll, so weiß der Boulevard, Cristiano Ronaldo vor Jahren zu einer Kellnerin in Los Angeles gesagt haben – und gilt seither nicht etwa als feinfühliger, geistesverwandter Pilcher-Interpret, sondern als Inbegriff des Primitivlings. Ausgerechnet dieser unwürdige Nichtsnutz ist kürzlich als Weltfußballer geehrt worden, raunte jüngst eine indignierte WDR-Autorin durchs Radio und beklagte die „doppelte Moral im Fußball“.

Nun müsste spätestens seit Verleihung dieser Auszeichnung an Lothar „Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken“ Matthäus in den neunziger Jahren klar sein, dass Weltfußballer nicht der wird, der einen übermäßig poetischen Wortschatz sein Eigen nennt. Auch für eine humanistisch geprägte Paarbeziehungsgestaltung bekommt man die Auszeichnung nicht. Weltfußballer wird, wer in kurzen Hosen über den Rasen rennt und, dem einzigen Zweck des Spiels gehorchend, das Ei stumpf im Kasten versenkt.

Besonders gut können das offenbar jene, die im Kopf wenig Platz lassen für andere Dinge, Wortschatz etwa oder Moral. Menschen mit großem Mitteilungsbedürfnis werden daher eher Bundespräsident oder Günter Grass. Wem die Gabe in den Schoß gelegt wurde, mit Jauche gurgeln zu können, für den ist der amoralische CSU-Vorsitz gedacht. Aber für jene Menschen, die der Weltgeist nicht primär deshalb auf dem Schirm behält, weil wir ihnen gewaltige geistige Ergüsse verdanken, ist der Ballon d’Or gedacht – oder sie werden zum Welttorhüter gewählt wie 2002 Oliver Kahn („Eier, wir brauchen Eier!“).

Fußballer sind Inselbegabungen

Fußballer sind folglich, dem Mutterland des Spiels genetischen Tribut zollend, Inselbegabungen, Genies für einen Augenblick. Der Rest der Lebenszeit muss dann mit weit alltäglicheren Dingen gefüllt werden: Steuerhinterziehung etwa, Ferraris kaufen, sich in korrupten Sportverbänden bis zur Leitung hochdienen oder auch Coming-outs vorbereiten. Das mag feingeistigen WDR-Frauen nicht behagen. Besagte Kellnerin aus Los Angeles hingegen fand sich nach der knapp gehaltenen Einladung des amtierenden Weltfußballers umstandslos in dessen Hotelsuite ein, um neun Monate später einen Ballon d’Or der anderen Art zur Welt zu bringen. Jeder Jeck ist halt anders.

Vermutlich ist der aktuelle Wortschatz des kleinen Ronaldos in etwa auf dem Niveau des Erzeugers. Wenn er das Level halten kann, stehen ihm goldene Zeiten bevor. Bis dahin ist womöglich auch Frau Pilcher abgetreten. Wenn es später einmal fürs Eierversenken beim Mini-Ronaldo nicht reicht, könnte er auch diesen verwaisten Thron der Kitschwelt zu besteigen suchen. Die empörte WDR-Dame wird das sicherlich eher zu würdigen wissen.

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