Die Wahrheit: Nachwuchs ohne Pussys
Bei der Bundeswehr wird sich dank neuer Chefin von der Leyen jetzt mit Samthandschuhen angefasst.
Es ist ganz großartig, wenn ein Land sich ändert. Wenn Verhältnisse sich ändern. Oder ich mich ändere. Ich dachte immer, Bundeswehr wäre für alle Zeiten scheiße. Oder mindestens anstrengend. Allein wegen Gehorsam und Befehl. Was passiert, wenn man Letzteren nicht befolgt, weiß man spätestens seit „Papillon“, dem es in der Einzelhaft nicht gerade gut erging. Aber seit Ursula von der Leyen Chefin ist, hat die Bundeswehr endlich ein menschliches Antlitz. Heute wird man zum Dienstantritt von der Verteidigungsministerin persönlich mit Wangenküssen empfangen. Früher musste man durch das Kasernentor kriechen.
Es hat sich viel geändert. Von und zu Guttenberg hat die Wehrpflicht abgeschafft, und von der Leyen muss das jetzt ausbaden. Keiner will hin, und wer da ist, will wieder weg – und darf das plötzlich auch. Besonders die Frauen kündigen in Bataillonstärke. Ein Drittel geht wieder.
Kündigen bei der Bundeswehr, das gab es früher nicht. Da musste man schon verweigern, und das hieß: Ab vor die Inquisitoren! Aber das hat sich geändert. Nicht zum Besseren, sondern zum Beschwerdlichen. Die Eingaben an den Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus stiegen im vorigen Jahr um 20 Prozent. Und es ging nicht nur um den rauen Umgangston.
Zu meiner Zeit musste man noch einem vierköpfigen Gremium erklären, warum man nicht dahin will. Heute erledigt das der Bericht des Wehrbeauftragten. Damals war weit und breit kein Kriegseinsatz zu sehen. Das nahm uns nichts von der Heldenpose. Wir mussten in der „Verhandlung“ sagen, dass wir totale Gewissensbisse haben würden, wenn wir den Russen, der gerade unsere Mutter vergewaltigte, mit der Waffe, die wir zufällig in Händen halten würden, erschießen täten. Heute wissen wir: Es ist nicht nur der Russe hinter meiner Mutter her. Hat uns doch der Bundesverteidigungsminister Peter Struck beigebracht: Meine Mutter wird auch am Hindukusch verteidigt.
Und damit der Soldat immer dran denkt, dass er hier und dort Mütter verteidigt, ist nun eine Frau Chefin geworden. Zum Leidwesen von mindestens 57 Prozent der Soldaten. Von der Leyen aber gibt alles und will als nächstes die Rangabzeichen lernen, um nicht länger Gefreite und Generäle zu verwechseln. Den Gefreiten ist das angeblich egal.
„Röschen“, wie man sie in Hannover nennt, flog als Erstes nach Afghanistan. „Da zittert jetzt der Taliban!“, sagen frech die Jungs aus der Truppe, die zu erwähnten 57 Prozent keine Frauen in der Truppe mögen. Dafür, dass der Soldat an sich Frauen in der Truppe nicht gern hat, ist die Zahl der sexuellen Übergriffe erstaunlich. 55 Prozent der Soldatinnen wurden sexuell belästigt, also 55 Prozent haben es erzählt. Intern soll schon einer von indischen Verhältnissen gesprochen haben. Wahrscheinlich war es Thomas „die Drohne“ de Maizière. Als der aus dem Amt befördert wurde, sagte er, es wäre dort eine Menge nicht in Ordnung gewesen. Hat er wohl erst in letzter Sekunde gemerkt.
Von der Leyen setzt da ganz andere Zeichen. Nun wird „Nachwuchs“ groß geschrieben. Klar, wenn eine Dauerschwangere an der Spitze des Ministerium steht. Seit Amtsantritt im Familienministerium hat von der Leyen noch dreizehn weitere Kinder bekommen und sich selbstverständlich nie frei genommen für die Niederkunft. Immer in der Mittagspause. Und dann weiter, immer weiter, wie der große Philosoph Oliver Kahn einst sagte. Wenn die Frau das Wort Geburtenrate liest, bekommt sie Milcheinschuss. Bisher hatte die Truppe Nachwuchsschwierigkeiten. Jetzt hat sie Ursula von der Leyen, die ihre eigene „Haustruppe“ mitbringt.
Radikale Änderungen stehen bevor: In den Kasernen gibt es bald Krabbelgruppen statt robbender Soldaten, denn von der Leyen will die Bundeswehr kinderfreundlicher machen. Mit Kitas in den Kasernen. Hauptsache, es geht kein Kind Minen suchen statt Topfschlagen.
Aber seit dem abendlichen „Dschungelcamp“ bei RTL ist die Bundeswehr sowieso nur noch etwas für Pussys. Ein Mann, der im Dschungel Wollmütze trägt, scheitert an Maden und Hoden, während die Frauen im Fernsehüberlebenskampf zeigen, was sie drauf haben und was ein richtiger Mann ist! Die muss man unbedingt als Ausbilder für die Truppe gewinnen! Uschi wird’s schon richten. BERND GIESEKING
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