Die Wahrheit: Pillen für die Kanzlerin
Unterwegs mit dem Bär zu den Fundamenten der Demokratie werden Pillen ausgegeben, falsche Passwörter hingegen eingegeben.
Es ist Abend. Bär und ich sitzen wie so oft auf dem Sofa und schauen fern. Vor unseren Augen spricht Kanzlerin Merkel von einem wichtigen Schritt für die Nation. Neben ihr steht Steinmeier und nickt.
„Der Grand Canyon der deutschen Außenpolitik neben dem Tal des Todes der Kanzlerschaft“, sagt Bär. Merkel verkündet – nichts. Dann sagt sie, dass in den kommenden Jahren gespart werden muss und dass es auch die Armen treffen wird. Jeder habe schließlich sein Päckchen zu tragen. „Sogar die, die keins haben“, denke ich. Ich gucke Bär an, Bär guckt mich an. Gemeinsam beschließen wir die Kanzlerin zu entführen. Und Steinmeier gleich mit.
Sechs Stunden später. Wir passieren in Papas Opel Corsa die Ortseinfahrt von Berlin. Ich frage Bär, ob ihm schon aufgefallen ist, dass Bär und Berlin gut zueinander passen. „Wir passen auch gut zueinander“, sagt Bär und lächelt. Eigentlich lächelt er immer, anatomisch bedingt. Da kann er nichts dran machen. Auf der Rückbank des Wagens steht Bärs Pilleneimer. Die Pillen will er den Politikern schenken, damit die mal locker werden. Die haben sonst immer nur bittere Pillen, die das Volk schlucken muss. Bärs Pillen sind nicht bitter. Ich will wissen, was wir mit Merkel machen, wenn wir sie entführt haben. „Einbetonieren, für ein gesundes Fundament der deutschen Demokratie“, sagt Bär.
30 Minuten später. Die Sicherheitsbeamten an der Zufahrt zum Kanzleramt wollen uns nicht durchlassen. Nachdem Bär sie durchgelassen hat, fahren wir weiter und stellen den Wagen vorm Haupteingang ab. Auch dort beäugt uns das Personal kritisch. Aber Bär winkt den Beamten freundlich. Die Beamten winken erstaunlicherweise freundlich zurück. Wahrscheinlich denken sie, dass wir auf dem Weg zu von der Leyen sind. Oder sie verwechseln Bär mit Kurt Beck, was auch immer der gerade in Berlin verloren hat.
Wir betreten das Kanzleramt. Ich mutmaße, dass in einer Behörde wie dieser bestimmt ein unglaublicher Papierkrieg herrscht. Bär schüttelt den Kopf und sagt, dass Deutschland nicht in den Behörden sondern im Ausland Krieg führt. Stimmt, denke ich und erreiche gemeinsam mit Bär das Büro der Kanzlerin. Wir klopfen an. Niemand antwortet.
„Schade“, sagt Bär und tritt die Tür ein. „Krass“, denke ich und betrete Merkels geräumiges Büro. Auf dem Schreibtisch steht eine Dose Spreewaldgurken. Als Bär sich auf Merkels Schreibtischstuhl hockt, weise ich ihn darauf hin, dass die Kanzlerin genau von diesem Tisch aus ihre Ansprachen an das Volk hält. Bär sagt, dass wir das jetzt auch machen. „Also Putsch statt Entführung?“ frage ich. Bär nickt. Zunächst müssen wir jedoch den Server hacken, der zusammen mit einer Kamera gegenüber des Schreibtischs aufgebaut ist. Klappt aber nicht sofort. Nachdem wir drei Mal das falsche Passwort eingegeben haben, erscheint eine Erinnerungsfrage: „In wen ist Sigmar Gabriel verliebt?“
Ich gucke Bär fragend an. Bär sagt, dass ich „Sigmar Gabriel“ eintippen soll. Mache ich auch. Sekunden später sind wir „on air“. ARD, ZDF und die dritten Programme schalten sich automatisch zu. „Das ist Macht“, denke ich, gehe zu Bär und winke in die Kamera. Bär sagt, dass er der neue Führer der Nation ist. Ich sage nichts, bin sprachlos und winke einfach weiter. Solange, bis ein gutes Dutzend vermummter Elitesoldaten ins Büro stürmt und uns überwältigt.
Eine Nacht und etliche Kaltwasserduschen später. Wir liegen erschöpft auf einer Holzpritsche im Keller des Kanzleramts. Bär sagt, dass er Folter ab jetzt nicht mehr befürwortet. Im selben Moment öffnet sich vor unseren Augen die Zellentür. Die Kanzlerin betritt den Raum und lächelt. Mit ihr kommt Joachim Gauck und überreicht uns das Bundesverdienstkreuz. Wir mutigen Deutschen hätten das Kanzleramt und die Freiheit durch unseren unangekündigten Sicherheitscheck vor einem möglichen, verheerenden Anschlag bewahrt, sagt Gauck. Bär zwinkert mir zu. „Lügen haben tatsächlich kurze Beine“, denke ich und drücke Bär fest an mich. „Macht macht einsam“, grummelt die Kanzlerin. Dann wirft sie Bär und mir noch einen finsteren Blick zu.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!