Die Wahrheit: Schutzbarriere gegen Vorrunden-Aus
Wo hat die Inspiration, einen Erlösungsschrei auf Klopapier zu drucken, ihren Ursprung genommen? Man möchte es gar nicht wissen.
E s kommt der Tag, an dem man einkaufen geht und entdeckt, dass die Verpackung von Wattestäbchen neuerdings ein Muster aus Fußbällen trägt. Die wahre Herausforderung besteht allerdings darin, eine Verbindung zwischen Fußball und Toilettenpapier herzustellen, denn über das Sonderangebot, dreilagig, zieht sich der gestrichelte Laufweg eines unsichtbaren Dribblers, flankiert von kickenden Fußballschuhen und ausgestreckten Torwarthänden.
Der Spurt endet in einem langgezogenen „Toooor“, dessen „os“ von Bällen ersetzt sind. Man möchte nicht wissen, wo die Inspiration, diesen Erlösungsschrei auf Klopapier zu drucken, ihren Ursprung genommen hat.
Während man auf dem Nachhauseweg noch über all dies grübelt, steht man plötzlich vor dem Schaufenster einer Apotheke, dessen Gestaltung so opulent ist, als fiele Weihnachten und Ostern zusammen. Länderfähnchen bilden den Hintergrund, schwarz-weiße Fußballscheiben (das neue Balldesign hat sich, scheint’s, noch nicht herumgesprochen) schweben, kunstvoll arrangiert wie ein Calder-Mobile, über grünen Kunstraseninseln, auf denen übergroße Medikamentenschachteln ruhen.
Ein Mittel gegen Sodbrennen behauptet, „zweifach wirksam“ zu sein und dabei „einzigartig anders“. Es bildet nämlich „eine Schutzbarriere gegen saures Aufstoßen“ und „neutralisiert Säure“. „Unbeschwert feiern ohne Sodbrennen“, jubelt es aus dem Schaufenster, übersetzt heißt das: „Saufen ohne Reue“. Ergänzend wird Magnesium gegen Muskelkrämpfe empfohlen, eine in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule entwickelte „Frubiase“ und ein Präparat zur „diätetischen Behandlung durch hohe Belastung entzündlich veränderter Darmschleimhäute“.
Ob die hohe Darmbelastung durch exzessives Kicken, sodbrennenfreies Trinken oder übermäßigen Genuss verkohlter Grillwürste entsteht, ist unklar, aber für den Fall eines Kaufs wird ein Gratis-Fan-Schminkstift versprochen. Über allem wölbt sich der frohe Sinnspruch: „Soll der Ball ins Tor hinein, musst du etwas fitter sein!“ Beim Poetry Slam wär’ so was das glatte Vorrunden-Aus.
Am Fahrradständer neben der Apotheke wirbt derweil eine Weltfirma für neuartige Hörgeräte mit dem Bild eines Deutschlandfans, der neben einer Fanfrau in eine Wuwuzela trötet. Darunter die Aufforderung „Erleben Sie die neue Dimension des Hörens“ und handschriftlich daneben „by Hörgeräte J…“. Der Fahrradständer gehört zu einem Hörgeräteladen, der offenbar ein klares Geschäftsmodell verfolgt. Er hofft auf Kunden, die ihre Ohren bis zur beginnenden Taubheit Wuwuzela-Gekreisch aussetzen und anschließend Hilfe bei den neuartigen Geräten der Weltfirma und „by Hörgeräte J…“ suchen.
Vielleicht stammt der Hörgeräteakustiker ja aus Gladbeck, ist wegen der Internationalität Berlins sprachverwirrt und wünscht sich nur „Wenn doch endlich ma’n paa Kunden bei mich bei käm’!“ One „by“ fits all, Berlin jedenfalls ist medizinisch und sprachlich vorbereitet. Bora Brasil! Joga bonito! Anpfiff by mich zehause, Klopapier is auch da.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!