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Die WahrheitDas Rätsel der Balz

Die Finnenwoche der Wahrheit: Wie pflanzen sich Finnen bloß fort? Und warum ist ihr Volk eigentlich noch nicht ausgestorben?

Typisch finnisches Balzverhalten: Mund auf und Haare schleudern. Bild: dpa

Die Finnen sind ein Volk von 5,4 Millionen Menschen. Sie leben aber in einem Land, das fast so groß ist wie die Bundesrepublik, wo über 80 Millionen leben. Man kann viel Gutes über Finnland sagen, aber es ist entschieden zu dünn besiedelt.

Je näher man dem oberen Ende des Landes kommt, umso dünner ist es bewohnt. Hat man erst den Polarkreis überschritten, trifft man überwiegend auf Rentiere und Mücken. Im Gegensatz zu den Finnen selber hat die finnische Mücke keinerlei Probleme mit der Vermehrung und schafft locker die eine oder andere Milliarde, während der Finne fast schon bei der Myriade scheitert.

Warum haben die Finnen es nicht geschafft, im Laufe ihrer nun bald einhundertjährigen Staatsgeschichte wenigstens die Sechs-Millionen-Einwohner-Grenze zu überschreiten? Wollen sie nicht oder können sie nicht? Hinter alldem steht die große Frage: Wie pflanzt sich der Finne fort? Wie erfolgreich sind Balz und Bemühen?

In Lappland wohnen grad noch zwei Menschen auf einem Quadratkilometer, in Finnland im Ganzen 15,8. In Deutschland kann da nur Wiedenborstel in Schleswig-Holstein mit Lappland mithalten, ansonsten hat Deutschland 228 Einwohner je Quadratkilometer. Bei 228 Einwohnern hat man natürlich eine ganz andere Auswahl.

Wenn in Lappland ein Finne einem anderen vor lauter Bäumen überhaupt begegnet, wer weiß, ob er oder sie ihm oder ihr gefällt. Wenn beide im Uhrzeigersinn um die Seen gehen, treffen sie sich wahrscheinlich auch nicht. Man müsste sich wenigstens entgegenkommen.

Ein wirkliches Problem für die Balz aber besteht in den Lichtverhältnissen: Große Teile Finnlands liegen monatelang in absoluter Dunkelheit. Man findet sich einfach nicht! In dieser Zeit tiefer Kälte, in der man sich einander nähern könnte, ist die Möglichkeit, dass sich Finne und Finnin begegnen, fast gleich null. Selbst auf Langlaufskiern ist da schnell der eine rechts und die andere links an der Birke vorbeigehuscht und schon hat man sich verpasst.

Im Sommer ist es umgekehrt. Man wird gesehen, aber wer möchte unbedingt gesehen werden beim intimen Vorgang der Nachwuchszeugung? Vorhänge oder Jalousien könnten hier eine einfache Lösung sein, aber allein dass man drinnen weiß, wie hell es draußen ist, hält die Finnen vom Wesentlichen ab.

In der Sauna will man in Ruhe schwitzen!

Zudem sind die Finnen ein Wintervolk, das sich eigentlich nur in der Kälte wirklich wohl fühlt. Deshalb geht der Finne im Sommer quasi gar nicht mehr rein, sondern wartet draußen auf die Rückkehr der Kälte und vertreibt sich die Zeit so lange mit Humppa und Tango.

Im Winter geborene Finnen werden schon mit Langlaufskiern an den Füßen geboren, was natürlich besondere Anforderungen an die Mütter stellt. Im Winter geborene Finnen können sich zwar mit Langlaufskiern an den Füßen küssen und entkleiden, aber den Akt als solchen zu vollziehen, gelingt so nur selten.

Man könnte nun meinen, der gemeinsame Saunagang müsse zwangsläufig zur Fortpflanzung führen, weil die Finnen immerhin einen Ort haben, an dem man aus der Sicht der Deutschen nackt ist. Aber der Finne geht nun mal nicht nackig mit jedem dahergelaufenen Mitsaunierer in seine Schwitzhütten. Zwar sind Finnen nicht verschämt, aber sie überlegen es sich besser als die meisten Deutschen, wer sie in voller Blöße sehen darf.

Außerdem schlagen sich die Bewohner Suomis dort gern mit dem „vihta“, einem Birkenstrauß. Dabei ist der Finne ein reizender Mensch, dem Quälen und Gequältwerden fast undenkbar ist, weshalb auch die Sauna als Ort für Balz und Bemühen nicht in Frage kommt. Der Sadomaso-Roman „50 Shades of Grey“ zum Beispiel wurde für den finnischen Markt gar nicht erst übersetzt. In der Sauna will man in Ruhe schwitzen!

Einfach mal drüber reden geht auch nicht, denn Finnen sind große Schweiger, zumindest die Männer. Nun könnte man vermuten, der Alkohol sei ein „Sanitäter in der Not“. Weit gefehlt. Im Alkoholverbrauch liegt der Deutsche knapp vor dem Finnen. Sie trinken also weniger. Und anders. Sie trinken seltener, aber wenn, dann! Und auch das steht dem Finnen dann im Weg, getreu der alten ostwestfälischen Devise: „Ohne zu schüchtern, mit nicht mehr nüchtern!“

Dann gibt es noch Finninnen, die nur kurz verreisen wollten, aber nicht wieder zurückkehren und fortan in Deutschland oder anderen fernen Ländern leben, wo die jeweiligen Männer diesen wunderbaren nordischen Frauen den Himmel auf Erden versprechen, was sie zwar nicht halten, aber sie enthalten die Damen dem Finnen daheim als Paarungspartner vor.

Abschließend muss man sagen, Finnland bietet eigentlich weder den idealen Platz noch die Gelegenheiten oder eine ideale Jahreszeit für die Balz und Begattung. Im Grunde ist es ein Wunder, dass dieses Volk noch nicht ausgestorben ist. Wann, wo und wie der Finne sich vermehrt, ist und bleibt eines der letzten großen Rätsel der Menschheit.

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