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Die WahrheitPsychokiller beim X-Factor

Anke Richter
Kolumne
von Anke Richter

Neuses aus Neuseeland: Über fiese Juroren beim „X-Factor New Zealand“ brach ein Shitstorm herein. Ein Fall für Amnesty International.

E s gibt Menschen, von denen ich bis letzte Woche noch nie gehört habe: Natalia Kills und Willy Moon heißen diese Wesen. Sie ist optisch eine Fehlpressung von Cleopatra, deren Album „Trouble“ es auf einen 70. Platz in den USA brachte. Ihr blasierter Mann ist ein Elvis-Babyface mit gegelter Tolle und hat auch schon mal gesungen. Ganz echt sind ihre Namen nicht, aber jetzt kennt sie jeder. Denn Natalia Kills und Willy Moon sind frisch gefeuerte X-Factor-Juroren. Ein Fall für Amnesty International.

Was war da Schreckliches passiert? Beim „X-Factor New Zealand“ trat ein singendes Bürschchen aus Invercargill auf, das in geschniegelter 50er-Jahre-Montur „Cry me a river“ darbot. Damit nahm das Drama seinen Lauf. Das Juroren-Pärchen Kills und Moon, keinem Neuseeländer unter 30 und auch dann nur für seine Zickigkeiten bekannt, zeigte sich diesmal nicht nur ungnädig, sondern bösartig.

Nach den letzten Tönen der Ballade fiel Natalia über den Sängerknaben her: „Es ist kitschig, es ist ekelhaft. Ich finde es künstlerisch scheußlich … Mir wird schlecht!“ Am meisten erboste sie, dass er so ähnlich gestylt war wie ihr Mann. Ihr Gatte pflichtete ihr bei: Wie Norman Bates aus „Psycho“ sähe der arme Kerl auf der Bühne aus, „als ob du dir fremde Haut ans Gesicht nähst und dann jeden im Publikum umbringst.“ Wow, das ist Reality – Blut, Schweiß und Trällerei. Und bei den Hasstiraden immer schön ans Script halten. Ein Shitstorm brach über die fiesen Juroren her, die ganze Nation empörte sich und startete eine Hexenjagd auf Facebook: Stoppt dieses Mobbing! Nieder mit den bösen Juroren! Feuert sie, sofort! Was der Sender TV3 unter diesem Druck schließlich auch tat. Die Einschaltquote schnellte ganz nebenbei nach oben.

Bei so viel Engagement konnte sich auch die Menschenrechtskommission Neuseelands mit einer Stellungnahme nicht zurückhalten: „Wir gratulieren den Tausenden von einfachen Neuseeländern, die sich durch Social Media gegen Mobbing gewehrt haben.“ Wahrscheinlich hatte die Kommission keine der Tausenden Tweets gelesen, in denen Kills und Moon ein langsamer, grausamer Tod gewünscht wurde und dass sie hoffentlich nie Kinder bekommen. Das sind nur die druckbaren Botschaften, viele sind krasser.

Das geschasste Paar verließ hinter dunklen Sonnenbrillen im nächsten Flugzeug das Land. Der Sender ernannte eine australische Blondine und den Schlagzeuger Shelton Woolright als Nachfolger. Dann der nächste Aufreger: Der Drummer und Performance-Künstler, dessen Oberkörper komplett tätowiert ist, hat sich des Öfteren mit schwarz geschminktem Gesicht ablichten lassen. „Blackfacing“ – das geht gar nicht in einem Land mit dunkelhäutiger Urbevölkerung, die sich dadurch vorgeführt vorkommt. Ist der neue X-Factor-Juror gar Rassist?

Dagegen verblasst ein anderes Fernseh-Highlight. In einer der letzten Folgen von „The Bachelor NZ“ ließ eine der Kandidatinnen beim ersten Rendezvous am Strand einen kräftigen Furz ertönen. Schock, Horror, Quotenfreude! Jede Wette, der war geprobt.

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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