Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ...
... und seine Finanzen sind legendenumrankt. Angeblich haben Schwule mehr Geld in der Tasche. Heißt es jedenfalls seit den neunziger Jahren.
hängt an seinen Lebenslügen. Dass er reich sei, ist so eine, ein vorbildlicher Konsument und mit mehr Geld in der Tasche als der heterosexuelle Nachbar. Dabei ist das nichts weiter als eine Erfindung der neunziger Jahre, die dramatische Aids-Ära war überlebt und in der Ferne winkte die Homo-Ehe. Der Hunger schwuler Männer nach Anerkennung wurde übergroß, beste Voraussetzungen, ihnen jeden Scheiß zu erzählen.
Mit gefälschten Fakten und Zahlen wurde die Legende geboren, Dink hieß die Zauberformel: „double income – no kids“. Schwule Unternehmer strickten gemeinsam mit gewieften Werbern den neuen Homo: modebewusst, reisefreudig und gebildet, und trotzdem dumm genug, um auf alles Neue hereinzufallen – das gefundene Fressen für Marketingexperten auf der Suche nach neuen Testmärkten. Unvergessen ist ein NDR-Feature aus der Zeit, das lachende Schwule zeigt, die mit vollgepackten Tüten aus dem Berliner KaDeWe stolzieren, um sich anschließend im eleganten Loft ein üppiges Dinner unter Freunden zu gönnen.
Solche Bilder verführten die Propagandisten großer Marken, schwule Figuren in Spots und Anzeigen zu präsentieren. Wie Holger und Max. Die öffneten für Iglo ihren Gefrierschrank und servierten dem Werbefernsehpublikum „Fleischbällchen in Rotweinsauce“ oder „Grillgemüse mit Kartoffelspalten“.
Die klischeetriefende Homo-Power brachte dem Hersteller viel mediale Aufmerksamkeit, die Kampagne wurde aber schnell wieder eingestellt, der deutsche Verbraucher war offenbar noch nicht reif für Tiefkühlkost aus warmer Hand. Ähnlich erfolglos blieben Zigaretten-, Möbel- und Autofirmen, trotz aller Anpassung schwuler Testimonials an eine konsumgängige Lebensart.
Aussagen über schwules Konsumverhalten
Lässt sich überhaupt feststellen, wie es in den Portemonnaies schwuler Männer ausschaut? Ihre Gesamtmenge – drei, fünf oder zehn Prozent der Gesamtbevölkerung? – lässt sich nicht einmal annähernd ermitteln. Deshalb sind Aussagen über schwules Konsumverhalten reines Wunschdenken ohne jede statistische Grundlage.
So erregte Anfang des Jahres eine australische Studie Aufmerksamkeit, weil sie dem Klischee vom reichen Schwulen widersprach. Danach verdienen schwule Männer durchschnittlich 18 Prozent weniger als ihre heterosexuellen Kollegen, und das Missverhältnis hat auch schon einen Namen: „gay pay gap“. Ein Grund dafür seien, so die Autorin der Untersuchung, Andrea La Nauze, die Vorurteile, mit denen man nach wie vor schwulen Männern am Arbeitsplatz begegne.
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Forscher in den USA bereits zur Jahrtausendwende. Schwule Arbeitnehmer würden schneller gefeuert, die Chancen auf Aufstieg und Karriere seien deutlich geringer. Besonders hart treffe die Ungleichheit Homo-Paare mit Kindern. Sie seien doppelt so oft von Armut betroffen wie Kinder heterosexueller Paare. Bei allem Vorbehalt auch gegenüber diesen Zahlen, so viel steht fest: Die Figur des betuchten Schwulen gehört auf jeden Fall ins neoliberale Märchenbuch vergangener Tage.
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