Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann ...
... hat neuerdings in einer großen, deutschen Tageszeitung seine Nische, zumindest als Blog im Netz: den „Queerspiegel“ des „Tagesspiegel“.
hat einen neuen ally, einen, der es gut mit ihm meint und ihm zuvorkommend seinen starken Arm reicht. Der Tagesspiegel ist’s, die Berliner Tageszeitung, die jetzt im Netz mit einem „Queerspiegel“ die LGBTI-Gemeinde an sich zu binden sucht. Ein Blog „für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle und für alle, für die die Welt bunt wie ein Regenbogen ist“. Da kommt Freude auf bei Twitter: „Der Tagesspiegel ist aus dem Schrank gekommen“ und „Dass Rosa von Praunheim das noch erleben darf: Der Tagesspiegel outet sich.“
Auch bei „gaystream“ wird heftig gelobt. Die neueste Internetplattform des beim Homo-Magazin Männer geschassten Rechtspopulisten David Berger meint, eine solche Rubrik eines „großen Mainstream-Mediums“ sei „Ausdruck einer weithin gelungenen Integration von Schwulen und Lesben in der Gesamtgesellschaft“. Das ist natürlich kompletter Blödsinn – wenn es doch nur so einfach wäre.
Zunächst einmal ist „Queerspiegel“ nichts mehr als ein weiterer Versuch, eines von der Zeitungskrise arg gebeutelten Mediums mit neuen Angeboten neue Lesergruppen zu locken. Dafür fährt man all das auf, was man an Ideen und Geschichten zum Thema eh schon in der Schublade hat, wirft ein zeitgeistiges Mäntelchen drüber und tut so, als würde das Rad neu erfunden.
Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen. Warum nicht mal was Eigenes schaffen für die gerade in Berlin so starke Bevölkerungsgruppe der LGBTI-ler? Zurück bleibt die Frage, die schon die taz in ihren Gründungsjahren umtrieb, als Frauen ihren Platz in der Zeitung beanspruchten: Macht man eine eigene Seite, die kleine Nische, oder platziert man die besonderen Themen an die Stellen in der Zeitung, wo sie hingehören?
Die ersten Themen des „Queerspiegels“ werfen die gleiche Frage auf: Interview mit dem schwulen Jan Stöß, Gespräch mit Thomas Hitzlsperger, Besuch im Schwulen Museum, Homosexuelle diskutieren mit Muslimen. Das sind selbstverständlich alles Geschichten, die in die große Zeitung gehören und nicht in die abgesonderte Internet-Ecke. Und sie demonstrieren, dass die Perspektive der „Queerspiegler“ – so nennen sich die Blog-Macher – die gleiche ist, wie die jedes anderen Zeitungsmachers auch.
Wie bei allen Mainstreammedien kommen nur jene Themen und Geschichten vor, die von einer größtmöglichen Zahl von Lesern zu erfassen sind, die Besonderheiten einer queeren Sichtweise auf ein besonderes Leben bleiben den Medien vorbehalten, die sich tatsächlich an homosexuelle Leser wenden.
Da hilft auch die charmante „Queerspiegel“-Idee eines „Gender-ABCs“ nicht wirklich weiter. Was nützt schon solch schlichte Nachhilfe im Slang der LGBTI-Gemeinde, um die Welt der Anderen besser kennenzulernen? Wenn eine weitere PR-Maßnahme einer um Auflage bangenden Zeitung „Ausdruck einer weithin gelungenen Integration“ sein soll, dann ist diese Integration nichts wert. Da gibt es triftigere Gründe und bessere Möglichkeiten, sich doch lieber den Platz am Rand der Gesellschaft kommod zu gestalten.
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