Die Wahlkampflyrik der CDU: „Wir in Bremen“
■ „Die Menschen wissen nun ...“
„Wir in Bremen“ heißt das Werbeblatt der CDU, das kürzlich als Beilage des Weser-Reports erschienen ist. Der Strauß von Stilblüten, mit dem die Christdemokraten potentielle Wähler betören wollen, ist bunt. „Kein Vertrauen hat er in die SPD bei den Steuern“, hält die Wahlkampfzeitung Schäubles Bedenken gegen eine Große Koalition für die Nachwelt fest. „Nach seiner über einstündigen Rede wissen die Menschen nun: Wer CDU wählt, der wählt gut für Deutschland“. Rot-Grün ist „eine Gefahr für Deutschland“, heißt es weiter.
Auch darüber, wie sich die Kandidaten auf den Wahlkampf vorbereiten, enthüllt das Blatt: „,Ein Zeltlager mit über 150 Kindern im Alter von acht bis 14 Jahren ist für mich das beste Training für die heiße Wahlkampfphase bis zum 27. September 1998', bekundete Bundestagskandidat Günter Niederbremer.“ Ob er das wirklich so bekundet hat, der Herr Niederbremer? So redet doch kein Mensch. Vermutlich hat er einfach nur gesagt: „Ein Zeltlager mit Kindern ist für mich das beste Training für den Wahlkampf“. Aber der Autor mußte verdammt nochmal die Fakten, Fakten, Fakten (Alter der Kinder, Termin der Bundestagswahl) im Text unterbringen. „Eine Frau aus dem richtigen Leben“, sei die Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Motschmann: „Sie ist kontaktfreudig und geht auf die Menschen zu“. Warum Motschmann die Welt verändern will? „Es kann mir doch nicht egal sein, in welche Zukunft meine drei Kinder hineinwachsen“, erklärt die Mutter von drei Kindern.“ Fakten, die doppelt aufgezählt werden, prägen sich halt besser ein. Deshalb verwendet das Blatt auch häufig die Wendung „machte deutlich“. „Die CDU-Bürgerschaftsfraktion unterstützt die Überlegungen, daß die amerikanische Rice-Universität eine private Universität in Bremen-Nord errichtet“, holpert es auf Seite 4. „CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer machte dies deutlich.“ 1.200 Studenten mit internationalen Abschlüssen aus Bremen – ein Gewinn für die Stadt. Denn, so die scharfsinnige Schlußfolgerung: „Diese Studienabsolventen würden den Namen Bremen dann in alle Welt tragen.“
Klappern gehört eben zum Handwerk. Deshalb muß das Positive an den Anfang des Satzes: „Eine lange Liste von Erfolgen seiner Politik in Bonn für das Land Bremen (sind Sie noch da, lieber Leser? Ja? Gut, denn jetzt erfahren Sie, um wen es geht) konnte der Staatssekretär präsentieren.“
Die Beilage erscheint, wie bereits erwähnt, als Beilage des Weser Reports. Daß es zwischen den Blättern gewisse redaktionelle Absprachen gegeben haben muß, verrät der Artikel über den Besuch von Innenminister Manfred Kanther (CDU). „Der Bundesinnenminister war in die Strandlust nach Bremen-Nord gekommen, um vor über 500 Zuhörern über die Erfolge der Bundesregierung zu reden“, schreibt die Wahlkampfzeitung. Er war natürlich gekommen, um über innere Sicherheit zu sprechen. Er wußte doch noch gar nicht, wieviele Leute kommen würden. Außerdem ist die Zahl eine glatte Lüge. Allerhöchstens 200 Zuhörer waren in die Strandlust gekommen, um Kanther zu sehen. Auch der Weser-Report jubelte die mäßig besuchte Veranstaltung hoch. Die Zuhörer hätten zwischen den Tischreihen gestanden, log das Anzeigenblatt. Kanthers Zuhörer saßen jedenfalls artig und zivilisiert an den Tischen. kes
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