Die Wahl für Mieter:innen: Nur die Linke will den Deckel
Die Wohnungsnot in vielen Städten ist groß: CDU und FDP wollen vor allem: Bauen. SPD, Grüne und Linke wollen auch noch höhere Mieten begrenzen.
Rund 14 Prozent der Bevölkerung waren 2019 durch Wohnkosten überbelastet – das heißt, dass sie mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete aufbringen. Wer keine größere Wohnung findet, rückt also näher zusammen. 2019 lebten rund 6,4 Millionen (7,8 Prozent) Menschen in überbelegten Wohnungen, sprich auf zu engen Raum zusammen – das betraf 340.000 Menschen mehr als im Vorjahr.
Haushalte mit niedrigem Einkommen trifft die Wohnungsnot besonders hart: Es fallen immer noch mehr Sozialwohnungen aus der Bindung, als neue entstehen. Mehr noch: Menschen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können werden, werden zwangsgeräumt – selbst in der Coronapandemie. Mindestens 30.0000 Zwangsräumungen haben im Jahr 2020 stattgefunden. Dabei hieß es ja gerade in der Pandemie: Zuhause bleiben und andere schützen. Für Obdachlose galt das ohnehin nie.
Dass etwas getan werden muss, darin sind sich alle Parteien einig. Nur in den Methoden, wie Wohnen wieder bezahlbar werden kann, da gehen die Vorstellungen auseinander. Union und FDP setzen vor allem auf schnelleres Bauen, weniger Bürokratie und mehr Eigentumsbildung. Mietendeckel und Enteignungen sind für sie Teufelszeug. „Der beste Mieterschutz ist und bleibt ausreichender Wohnraum“, heißt es im Unionsprogramm.
Was wollen die eigentlich? In der Serie „Die Wahl für…“ durchforstet die taz die Wahlprogramme der Parteien für die Bundestagswahl und versucht herauszufinden, was deren Ideen für die Menschen in Deutschland bedeuten würden. Alle Texte hier.
Vielleicht verfolgt die Partei aber auch andere Interessen: 2020 flossen 1,25 Millionen Euro Großspenden aus der Immobilienbranche zur CDU. Das Ziel der Union ist jedenfalls: Bis 2025 sollen 1,5 Millionen neue Wohnungen entstehen.
Damit das klappt, sollen Investitionsanreize zum Mietwohnungsbau gesetzt werden. Ein ähnliches Ziel verfolgt auch die FDP. Bauen soll vor allem günstiger und schneller werden. Zudem wollen die Freien Demokraten noch ein bisschen mehr Markt wagen: Die Mietpreisbremse wollen sie abschaffen und einen bundesweiten Mietendeckel verhindern – womit sie wohl eher den Vermieter:innen helfen dürften.
Die Aufregung war groß, als das Bundesverfassungsgericht im April dieses Jahres den Berliner Mietendeckel kippte. Über zehntausend Menschen gingen in der Hauptstadt auf die Straße. Der Mietendeckel war das Prestigevorhaben der Berliner Landesregierung, er deckelte nicht nur für einen begrenzten Zeitraum, sondern machte auch Mietsenkungen möglich. Doch das Verfassungsgericht kippte den Deckel mit der Begründung, dass der Bund zuständig sei für das Mietpreisrecht.
In den Wahlprogrammen findet sich die Idee eines bundesweiten Mietendeckels nur bei der Linkspartei wieder. Wie beim Berliner Modell will sie Mieten nicht nur deckeln, sondern zu hohe Mieten auch absenken.
Grüne und SPD wollen zwar auch Regulierungsmaßnahmen, um die Mietenexplosion zu begrenzen, gehen aber nicht so weit wie die Linke. Die SPD will in angespannten Wohnlagen ein zeitlich befristetes Mietenmoratorium einführen, mit dem Mieten nur im Rahmen der Inflationsrate erhöht werden können. Die Grünen sprechen sich für ein bundeseinheitliches Konzept aus, um Mietobergrenzen zu ermöglichen. Reguläre Mieterhöhungen sollen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden.
Empfohlener externer Inhalt
SPD und Grüne wollen zusätzlich die Mietpreisbremse entfristen und nachbessern, während die Linkspartei in angespannten Wohnungsmärkten einen Mietenstopp für bestehende Mietverträge fordert. Kommunen sollen dafür ermächtigt werden, einen angespannten Wohnungsmarkt festzustellen.
Worin sich die drei Parteien einig sind: Sie wollen eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen, um ein nicht-profitorientiertes Wohnungssegment aufzubauen. Zudem wollen alle das kommunale Vorkaufsrecht stärken. Die Linkspartei möchte, dass 250.000 Sozialwohnungen pro Jahr entstehen. Außerdem fordert sie überall einen prozentualen Mindestanteil von Sozialwohnungen, um eine soziale Mischung in Vierteln zu erhalten. Die SPD strebt 100.000 neue Sozialwohnungen jährlich an, die Grünen wollen 1 Million in den nächsten 10 Jahren.
Auch die Union möchte den Sozialen Wohnungsbau weiter fördern, bleibt aber vage. Sie will beim Sozialen Wohnungsbau mit den Ländern erörtern, ob diese auf jeden Euro vom Bund mindestens einen Euro drauflegen und zweckgebunden einsetzen. Die FDP weist lediglich darauf hin, dass nur die Menschen eine Sozialwohnung beziehen sollten, die auf dem freien Markt keine Chance haben.
SPD, Grüne und Linke fordern ein Immobilienregister
Insgesamt ist die Wohnungspolitik im linken Lager deutlich gemeinwohlorientierter als im rechten Lager. SPD, Grüne und Linke wollen explizit Obdachlosigkeit in Deutschland bekämpfen, während Union und FDP das Problem in ihren Programmen erst gar nicht aufgreifen. Grüne und Linke sprechen sich in ihren Programmen auch explizit gegen Zwangsräumungen in die Obdachlosigkeit aus. Damit niemand seine Bleibe verlieren muss, wollen die Grünen bei krisenbedingten Einkommensausfällen, dass Mieter:innen und Kreditnehmer:innen durch die KfW-Bank finanziell unterstützt werden. Vermieter:innen, die auf ihre Mietzahlungen angewiesen sind, sollen in diesem Fall auch staatlich unterstützt werden.
SPD, Grüne und Linke fordern ein Immobilienregister, um mehr Transparenz in den Eigentumsverhältnissen zu schaffen. Linke und Grüne wollen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen weiter beschränken, mit denen Mieter:innen oftmals aus ihren Wohnungen gedrängt werden. Eigenbedarfskündigungen durch Vermieter:innen sollen erschwert und der Milieuschutz erweitert werden.
Bei einem Ziel steigt aber überraschenderweise auch die FDP mit ein: SPD, Grüne, Linke und Liberale wollen alle gegen sogenannte Share Deals vorgehen, mit denen große Immobilienfirmen durch legale Steuertricks die Grunderwerbssteuer umgehen.
Bei manchen Themen bleibt die Linkspartei dennoch allein: Sie unterstützt als einzige Partei die Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteignen und schlägt ein Vergesellschaftungsgesetz vor, mit dem Wohnungen, Grund und Boden großer Wohnungsgesellschaften in öffentliches Eigentum überführt werden können. Zudem fordert die Linke als einzige das Recht auf Mietstreik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku