Die Vorteile der Kopie im Prado: Mona Lisa hat ihre Wimpern wieder
„Wiederentdeckte“ Kopie der „Mona Lisa“ im Madrider Prado entzückt mit Farben und Details, die dem Original im Pariser Louvre fehlen.
„Anders, irgendwie anders“, findet ein älterer Herr aus den USA das Lächeln. „Sympathischer“, ergänzt seine Frau. Ein Spanier findet die abgebildete Dame schöner als das Original. „Schöner? Jünger auf jeden Fall“, entgegnet sein Begleiter.
Es ist kein Massenansturm im Museo del Prado in Madrid, eher ein Kommen und Gehen. Im Saal Nummer 49 hängt die „Mona Lisa“. Nicht die von Leonardo da Vinci. Die zieht nach wie vor täglich Tausende im Pariser Louvre an. Es ist eine Kopie der „Mona Lisa“, die dem Original verblüffend gleicht, und wohl das Werk eines der Schüler des toskanischen Renaissancemalers und Universalgelehrten. Das Bild – da sind sich die Spezialisten in Madrid einig – wurde zeitgleich mit da Vincis Original gemalt. Im selben Atelier, Pinselstrich für Pinselstrich. Es wird von den Restauratoren entweder Francesco Melzi oder da Vincis späterem Geliebten Andrea Salai zugeschrieben.
„Kurios“, lautet das Urteil mancher Besucher, nachdem sie die Fakten über die „Entdeckung“ des Bildes erfahren haben. Denn die jetzt als Entdeckung gefeierte und ausgestellte „Mona Lisa“ ist seit der Eröffnung des Prados in dessen Besitz: seit 1819. Das Bild stammt aus der Sammlung des spanischen Königshauses und wurde 1666 erstmals in einer Inventarliste erwähnt. Es hing schon immer im Museum, wenn auch etwas versteckter als heute, ohne großes Interesse zu wecken.
Denn es handelte sich zwar um eine relativ anschauliche Kopie der berühmten „Mona Lisa“, der Hintergrund des Bildes aber war eine hässliche dunkle Fläche. Wegen einer Leihanfrage aus Paris wurde das Bild untersucht, um ein Gutachten vor dem Transport zu erstellen. Infrarotaufnahmen und Röntgenuntersuchungen ergaben, dass sich unter dem dunklen Lack die gleiche Landschaft befand wie beim Original von da Vinci. „Der Lack wurde, so wissen wir jetzt, 250 Jahre nach der Entstehung des Gemäldes aufgebracht“, erklärt der Chef der Abteilung für italienische und französische Malerei am Prado, Miguel Falomir Faus.
Kein Meisterwerk
Nach und nach wurde die dunkle Farbe entfernt. Was hervorkam, ist fast identisch mit dem, was auf da Vincis Original zu sehen ist. Das Bild weist Änderungen und Nachbesserungen auf, die auch da Vinci an seinem Original vorgenommen hat. All das lässt auf die zeitgleiche Entstehung schließen. „Der Wert der Kopie? Es ist natürlich kein Meisterwerk. Nichts deutet darauf hin, dass auch nur ein einziger Pinselstrich von da Vinci stammt. Aber das Bild lädt uns dazu ein, das Original mit neuen Augen zu betrachten“, sagt Falomir Faus. Die Kopie ist wesentlich besser erhalten als das Original und zeigt Details wie Augenbrauen und Wimpern, die bei da Vincis Gemälde nicht zu sehen sind.
Ob dies Rückschlüsse auf das Werk des Meisters zulässt, ob dieser auch so detailverliebt war und der Alterungsprozess des Bildes schuld am Fehlen der Augenbrauen ist – die Spekulationen haben begonnen und werden wohl so schnell nicht abreißen. Der Hype um die „Mona Lisa“ lässt Spanien nicht mehr los. Radio, Fernsehen, Presse, alle reden von der großen Entdeckung. „Eine ’Mona Lisa‘ nach einem umfangreichen Lifting“, jubelten die Feuilletons.
Bis zum 13. März wird die spanische „Mona Lisa“ im Prado noch zu sehen sein. Dann reist sie für mehrere Monate nach Paris, um im Louvre ausgestellt zu werden, direkt neben dem Original. „Das würde ich gerne sehen“, meint der Besucher aus den USA. „Vielleicht klappt es ja“, sagt seine Frau.
Ein Franzose, der in Madrid lebt, sieht es gelassener. Für ihn ist der Rummel um die Kopie aus dem Prado „Marketing“. Trotzdem werde wohl niemand extra nach Madrid reisen, um im Prado die Kopie zu sehen – während viele Touristen den Louvre eigens besuchten, um da Vincis Gemälde zu sehen, fügt er dann hinzu. Nach einer kurzen Pause meint er: „Sehen ist relativ, denn im Louvre sind immer so viele Besucher, dass du gar nicht nahe herankommst.“ Vielleicht macht gerade das den Reiz der Kopie im Prado aus. Sie hängt zum Greifen nah und erstrahlt dank der geschickten Restauration in lebendigen Farben. Als sei das Gemälde eben erst entstanden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“